Die Wahrheit: Hammerschlaue Belehrungen
Darf man etwas noch als „dumm“ bezeichnen? Oder ist bereits die bloße Erwähnung des Worts eine Beleidigung für alle Einfältigen?
I ch weiß nicht Bescheid. Zwar habe ich hier und da leise Ahnungen, so ganz genau weiß ich aber nicht, wo’s klemmt. Geschweige denn, was geschehen müsste, damit es endlich nicht mehr klemmt auf der Welt. Glücklicherweise gibt es Leute, die genau wissen, wo’s klemmt. Nicht an ihnen, den Bescheidwissern, denn die sind „woke“ und „aware“, möglicherweise auch „clear“ – nee, Quatsch, das sind ja die Scientologen.
Unter vollem Einsatz ihrer guten Laune kämpfen diese Sozialgerechtigkeitskrieger für eine strahlende Zukunft, der ich nicht mehr teilhaftig werde. Ich bin ein zusehends alternder weißer Mann und bald tot. Bis dahin stehe ich der Verwirklichung dieser Zukunft bockig im Weg herum. Das tut mir sehr leid.
Neulich habe ich in einem Artikel ein bestimmtes Magazin leichtfertig als „dumm“ bezeichnet. Eine Bescheidwisserin forderte mich schriftlich auf, das Adjektiv doch bitte zu vermeiden. Sie stieß mir Bescheid, mal unter „Ableismus“ nachzuschlagen. Der A. ist korrekt mit „Fähigkeitismus“ übersetzt und soll nach dem Willen von US-Sozialforschern und ihren gutwilligen Agenten das Gefühl für Schicklichkeit ersetzen. Konkret könnten sich Menschen mit „geringem IQ“ oder „kognitiven Einschränkungen“ demnach durch das grobe Wörtchen „dumm“ an erlittene Traumata möglicherweise nicht nur erinnert fühlen, sondern seelische Verletzungen neuerlich erleiden.
Ich gestehe, ich hielt diesen Hinweis für einen Witz. Erstens hatte ich ein lebloses Objekt als dumm bezeichnet, nicht einen Menschen als „behindert“ oder dergleichen. Zweitens handelte es sich bei diesem Magazin nachweislich um ein sehr einfältiges Produkt. Drittens war der Text keineswegs in „einfacher Sprache“ verfasst, Menschen mit kognitiven Einschränkungen also nicht barrierefrei zugänglich. Gäbe es hier eine Logik, dürfte auch von „kleinlichen“ Einwänden keine Rede mehr sein. Kleinwüchsige könnten unabsichtlich „mitgemeint“ und getriggert werden. Aus Rücksicht auf fettleibige Menschen wäre auf das „dicke Ende“ zu verzichten.
Generell habe ich die leise Ahnung, das Böse und das (Achtung! Trigger-Warnung!) Dumme verschwinden nicht aus der Welt, wenn wir – ungeachtet der Zusammenhänge – die scharfkantigen Begriffe aus ihr entfernen. Es sind Werkzeuge. Wie ein Hammer. Ich kann ihn einsetzen, um zu verletzen oder um den Nagel auf den Kopf zu treffen. Das sind unterschiedliche Einsatzzwecke, die ich sehr gut auseinanderhalten kann. Deshalb werde ich den Hammer nicht hergeben. Ich brauche ihn für meine Arbeit. Im Steinbruch der Sprache ist mit einem Werkzeugkasten voller Blümchen nichts anzufangen.
Meine Achtjährige weiß übrigens auch Bescheid. Statt dumm sagt sie prinzipiell „unschlau“, weil der vermiedene Begriff nach ihrem Empfinden „zu böse“ ist. Es sei denn, ihre Schwester geht ihr richtig auf die Nerven. Dann holt sie den Hammer raus. Dafür ist er da.
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