Die Wahrheit: Blut tropft aus der Decke
Purer Horror steckt nicht nur hinter den Wänden des Hauses, das renoviert wird, sondern auch in den Gruselfilmen, die man gerade sieht.
E s spukt schon wieder im Haus. Die Handwerker bauen das Dachgeschoss aus, leise rieselt der Staub durch einen vergessenen Wrasenabzug. Draußen klappert das Baugerüst im sanften Ostwind. Ich liege auf dem Bett und betrachte die Löcher in der Decke, die von der letzten Mückenjagd im November herrühren. Manchmal höre ich ein Knacken und Kratzen von unterhalb der Dielen und fühle mich wie in einer Edgar-Allen-Poe-Endlosschleife. Etwas pocht von unten. Vielleicht ist es ja eine versteckte Leiche.
Neulich stand die schicke Nachbarin von oben mit einer Flasche trockenem Rotwein vor meiner Tür. Nicht ohne Grund: Sie hatte vor einiger Zeit vergessen, das Badewasser abzustellen. Da der Überlauf dicht war, suppte das Badewasser lustig über die Wanne, während sie in ihrer Küche damit beschäftigt war, herauszufinden, ob das mit dem grauen Schwanz auf dem Boiler eine Sinnestäuschung war oder eine wirkliche Ratte. Sie erzählte dann noch, dass ihr Nachbar kürzlich einen Fuß in der Küchendecke hatte. Also nicht einen von seinen eigenen. Sondern einen von den Handwerkern, die das Dachgeschoss ausbauen.
Hat Gott sich tatsächlich erschossen?, sinnierte ich, eine entsprechende Zeile der Einstürzenden Neubauten erinnernd. Spukt es in unseren Köpfen, oder ist das alles normal? Die schicke Nachbarin hat übrigens Medizin studiert, arbeitet tagsüber in einem Blutspendebus und berichtete beim Rotwein von den kaputten Zombies, die sie oft wieder wegschicken muss, weil deren Blut nicht sauber ist. Vielleicht wechselt sie bald in die Pathologie.
Ich erzählte ihr, dass ich vor einiger Zeit „Suspiria“, die Neuverfilmung des italienischen Horrorklassikers, gesehen hatte, in dem lebendig verwesende Hexen unter den Dielen eines Tanzsaals hausen. Bevor ich in meinem Flur die bluttropfenden Flurlampen und die rötlich schimmernde Pfütze entdeckte, die von ihrem Badewasser herrührte, das abgestanden und leichenhaft faulig roch, war ich in einem anderen Horrorfilm gewesen, nämlich in „The House that Jack Built“ von Lars von Trier, in dem es um einen Serienkiller mit Putzzwang und noch ganz anderen neurotischen Störungen geht.
Plötzlich kam Wut auf. Es war nicht der erste Wasserschaden, den ich hatte. Nein, es war bereits der dritte, und allesamt waren sie fremdverschuldet. In der Nacht nach dem Besuch der Nachbarin träumte ich, dass mir Grabsteine aus den Armen wuchsen. Sie sahen aus wie kleine Waschmaschinen. Toplader für Single-Haushalte. Es war keine „weiße Ware“, sondern steingrau ragten sie mir steif aus den Armen.
Vielleicht ist dieses Horrorgenre auch zu anregend, dachte ich anderntags. Wochenlang schaute ich nur noch Tennis. Während eines sehr langen Ballwechsels zwischen Novak Đoković und Rafael Nadal hörte ich allerdings ein ungeduldiges Schaben in der Wand. Vielleicht sollte ich auch gar nicht mehr fernsehen.
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