Die Wahrheit: Sex mit Seppel

Eine Liaison mit einer Schauspielerin hat ihre Vorteile. Wann sonst würde man schon ins Kasperletheater gehen und Kinder aus den Socken heben?

Mit einer Schauspielerin liiert zu sein, birgt neben dem Nachteil, dass man sich das Anhimmeln der Geliebten gelegentlich mit Hunderten Leuten und täglich mit notgeilen Regisseuren, Schauspielern und Technikern teilen muss, auch ein paar Vorteile: Beispielsweise kommt man kostenlos ins Theater und sieht Inszenierungen, deren Besuch einem in einer Liaison mit einer Krankenkassenangestellten wahrscheinlich nicht in den Sinn gekommen wäre. Dafür ist man schlechter versichert.

Doch bleiben wir beim Positiven. Etwa bei Kindertheaterproduktionen. Als Mensch ohne Nachwuchs begibt man sich selten in die Elf-Uhr-Samstagsvorstellung vom „Räuber Hotzenplotz“. Es sei denn, nämlicher wird eben dort von der als Seppel getarnten Partnerin gejagt.

Allein: Besuche ich solch eine Aufführung, kann ich schon beim Gang zur Kasse, wo die Karten auf mich warten, jedes Mal anhand der Blicke der vielen Mütter und wenigen Väter hören, was sie denken: „Garantiert pädophil!“ Einmal sprach mich eine Dame auch direktemang an: „Na, was machen Sie denn so allein und ohne Kinder hier?“ Ihre Stimme klang kaum vorwurfsvoll, eher sehnsüchtig. Wahrscheinlich alleinerziehend.

Um ihr ein wenig Hoffnung zu machen, verschwieg ich die Wahrheit und erzählte, ich sei einfach ein großer Fan Ottfried Preußlers und könne gar nicht genug von den Geschichten um Kasperl und Konsorten bekommen. Das wiederum ließ meine Anwesenheit fragwürdig erscheinen, weshalb die Frau ihren Spross schnappte und so freundlich wie falsch lächelnd von dannen zog.

Nachdem die Kaffeemühle gestohlen, versteckt und glücklich zur Großmutter zurückgebracht ward, schlenderte ich durchs Foyer, wo die Helden des Stücks Autogramme gaben. Ein lärmender Fünfjähriger rempelte mich an, verwies auf den Flyer in seinen Händen und prahlte mit einer selbst für ein Kind ekelhaften Arroganz: „Schau mal, ich hab ein Autogramm vom Seppel! Und du nicht!“

Dieser Dünkel, diese Überheblichkeit, diese Angeberei, mit der dieser Knirps mir seine erfolgreiche Signaturjagd aufbinden wollte, stimmte mich angriffslustig. Mir entfuhr ein trotziges: „Ach ja? Schön für dich! Weißt du, was ich gestern Abend mit dem Seppel gemacht habe?“

Der Fünfjährige verstand nicht. Wie auch? Er war ja ein Fünfjähriger. Unglücklicherweise hatte jedoch seine Mutter, die unsere Auseinandersetzung verfolgte, sehr wohl verstanden. Zudem handelte es sich bei ihr um jene Mutter, der ich vor der Vorstellung in unguter Erinnerung geblieben war.

„Was haben Sie denn gestern Abend gemacht?“, fuhr sie mich an, allerdings nur halb so vorwurfsvoll, wie man meinen könnte, sondern schon wieder mit einer gewissen Neugierde, gar ein wenig lüstern. Wahrscheinlich wirklich alleinerziehend. „Nun, also erst mal haben wir …“, holte ich bluffend aus, doch da wurde es ihr schon zu bunt. Mit einer Grimmigkeit, wie ich sie nur von Hotzenplotz himself kannte, marschierte sie, den irritierten Jungen mit sich schleppend, davon.

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Cornelius W. M. Oettle kam in der kältesten Novembernacht des Jahres 1991 in Stuttgart zur Welt und weiß nicht, warum. Zur Überbrückung seiner Lebenszeit schreibt er als freier Autor für alle, die sich ihn leisten können. Seine Tweets aber sind und bleiben gratis.

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kari

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