Die Wahrheit: Gesichtserkennung für Kühe
Was ein irisches Start-up für Tiere entwickelt hat, wird die britische Regierung sicher bald für die Überwachung von Menschen einsetzen.
D as Spiel ist aus, Kuh! Die Zeiten, als du dich unerkannt über Wiesen schleichen konntest, sind vorbei. Denn nun gibt es die Gesichtserkennung für Kühe. Entwickelt wurde sie von Cainthus, einem Dubliner Start-up-Unternehmen für Agrartechnologie. Das System kann eine Kuh in Sekundenschnelle identifizieren.
Ursprünglich wollte man es lediglich auf Milchkühe anwenden, aber nachdem der US-Multi Cargill finanziell eingestiegen ist, sind nun auch Schweine, Fische und Geflügel dran. Die Technologie erkennt aber nicht nur die Gesichter der Tiere, sondern überwacht außerdem ihre Essens- und Trinkgewohnheiten sowie ihre Verhaltensauffälligkeiten. Also, Fische, aufgepasst: Wenn ihr ins Wasser pinkelt, gibt’s umgehend Ärger.
David Hunt, der Präsident von Cainthus, sagt, diese Technologie diene der Sicherheit und Gesundheit der Tiere. So ähnlich argumentiert die britische Premierministerin Theresa May, wenn sie die vielen Überwachungskameras in britischen Städten verteidigt. Davon gibt es inzwischen sechs Millionen Stück – eine für zehn Einwohner. Großbritannien stellt nicht mal ein Prozent der Weltbevölkerung, besitzt aber zwanzig Prozent aller Kameras.
Noch spitzeln Mays Leute das Sexualverhalten der Bevölkerung nicht aus, jedenfalls nicht offiziell. Bei Kühen geschieht das bereits. Der „MooMonitor“ der irischen Firma Dairymaster ist ein Halsband, das merkt, wenn eine Kuh brunftig ist. Es misst darüber hinaus die Aktivitäten wie Fressen, Wiederkäuen, Laufen und Ausruhen. Die drei Millionen erfassten Daten pro Kuh und Tag werden ständig an eine Cloud übermittelt.
Gibt es Auffälligkeiten, wird der Bauer durch eine App auf seinem Handy alarmiert. So kann er einer Kuh, die zu lange herumlungert, statt wiederzukäuen, Beine machen, denn die Viecher stehen ja nicht als Dekoration auf der Weide, sondern sollen sich möglichst rasant vermehren. Das Halsband kostet 140 Euro. Beim Juwelier käme man nicht so billig davon. Dort müsste man allerdings keine Basis-Station zusätzlich anschaffen. Die kostet 4.500 Euro.
Aus Geheimpapieren, die der BBC zugespielt wurden, geht hervor, dass Theresa May die Halsbänder für Sozialhilfeempfänger anschaffen will. Noch verhindern die Gesetze der Europäischen Union eine solche Maßnahme, aber nach dem Brexit hat sie freie Hand. Dann ließe sich feststellen, ob jemand heimlich arbeitet, obwohl er Stütze kassiert, oder ob ein angeblich arbeitsunfähiger Rollstuhlfahrer durch den Sherwood Forest joggt.
Das alles gibt es natürlich schon in Form der elektronischen Fußfessel. Aber die Halsbänder sollen zusätzlich mit Kamera ausgestattet werden, so dass man die Bevölkerung noch lückenloser überwachen kann.
Und was haben die Verbraucher von Gesichtserkennung und MooMonitor? Sie könnten sich anhand der Kuhsteckbriefe per Handy ihre Steaks auswählen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Pressefreiheit unter Netanjahu
Israels Regierung boykottiert Zeitung „Haaretz“
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Twitter-Ersatz Bluesky
Toxic Positivity