Die Wahrheit: Ganz Deutschland ist verwanzt
Seht euch mal die Wa an, wie die Wa ta kann… Die stinkende Schnabelkerfe liegt nicht mehr nur auf der Mauer, sondern überall auf der Lauer!
Seht euch mal die Wa an, wie die Wa ta kann! Doch nicht nur ta kann die Wa, sondern auch sti! Stinken! Und das wird der Bundesrepublik Deutschland nun womöglich zum olfaktorischen Verhängnis. Denn Wanzen gibt es in diesem Herbst überall, bundesweit glühen die nicht minder miefigen Regionalzeitungsredaktionsstuben.
„Wanzen-Plage in Mainz?“, titelt der Merkurist. „Wanzen erobern die Wohnungen“, schreibt die Stuttgarter Zeitung. „Ganz Österreich stöhnt unter einer Wanzenplage!“, heißt es auf heute.at. Und: „Heißer Sommer beflügelt exotische Einwanderer“, verkündet selbst der Deutschlandfunk reißerisch. Gemeint ist aber bloß die „Marmorierte Baumwanze“, die anders als heimische Arten wie die „Graue Gartenwanze“ ursprünglich aus Ostasien stammt und über Nordamerika zu uns kam wie etwa auch Sushi.
Doch was heißt „bloß“! Die kantigen Krabbelwesen hängen überall herum, tummeln sich an Hochhauswänden und Kirchen, ganze Städte sind verwanzt. Insektensterben? Nicht mit der Wanze! Die gute Nachricht vorweg: Sie können dem Menschen im Grunde kaum etwas antun, sofern sie ihm bei geöffnetem Fenster nicht direkt ins Auge fliegen, er daraufhin nicht ins Wanken gerät und nicht aus dem sechsten Stock fällt.
Lediglich Früchte müssen sich fürchten: Die Wanzen stürzen sich auf Pfirsiche, Äpfel, Birnen oder Tomaten und saugen sie aus wie Bettina Wulff Schnapsflaschen oder ihr Mann den Staat. In der Folge sind die Früchte deformiert, verfärbt und unansehnlich wie Alexander Gaulands Zähne. Stellen Sie also Ihre Obstschale besser weg!
Brown marmorated stink bug
Dennoch lösen die Kerfe auch in Nicht-Früchtchen wie unsereinem Ekel aus. Dabei sind sie uns im Grunde recht ähnlich: Der schildförmige Körper, die langen, staksigen Beine, die forschen Fühler am Kopf – sie sind genauso hässlich wie der Homo sapiens, wenn auch auf eine andere Art und Weise. Und außerdem gleichen sie uns zudem in dieser Hinsicht – wittern die Wanzen Gefahr oder werden erschlagen, verströmen sie einen unangenehmen Geruch. Umgangssprachlich nennt man besagte „Marmorierte Baumwanze“ daher auch „Stinkkäfer“ oder „BMSB“, die Abkürzung für „brown marmorated stink bug“, also anglofon für „Brauner Marmorierter Stinkkäfer“, was eigentlich auch ein hübscher Kosename für manchen AfD-Politiker wäre.
Der mannigfaltigen Gemeinsamkeiten zum Trotz möchte diese Tiere aber kaum jemand um sich haben. Also die Wanzen, die AfD-Politiker ja sowieso nicht. Deshalb greifen versierte Wanzenwidersacher zu allerlei Hausmitteln: Knoblauch und Minze können die Insekten wiederum ihrerseits nicht riechen. Warum aber wanzen sich in diesem Herbst besonders viele Exemplare an uns ran? Weshalb fühlt sich der Deutsche im Jahre 2018 wie Sir Wanz-a-lot?
Besser als Jens Spahn
Wie auch an Jens Spahn werden wir uns an die Wanze gewöhnen müssen: Anders als Jens Spahn kommt sie nämlich mit heißen Sommern sehr gut zurecht und fühlt sich wohl, während andere wie etwa Jens Spahn schwitzen. Zudem passen sie mühelos durch kleinste Spalten und Risse, weil sie flache Körper haben – im Gegensatz zu Jens Spahn. So zwängen sie sich zu uns ins Warme, den Winter an unserer Seite zu verbringen. Väterchen Frost ist der einzige, der den Wanzen wirklich gefährlich werden kann: Fallen die Temperaturen unter zehn Grad Celsius, wird es mangels Wams für die Wanz wahnsinnig unwirtlich. Andererseits: Who wanz to live forever?
Doch freilich: Sind die Wanzen dann erst einmal saisonal weg, werden wir begreifen, wie sehr wir sie doch gebraucht hatten. Einsam werden wir in unseren Sesseln sitzen und an die Zeit zurückdenken, in der uns die gar lustigen Flattertiere kleine Kunststückchen vorgeführt haben aus ehrlicher Dankbarkeit für den heimeligen Unterschlupf, den wir ihnen bisweilen unfreiwillig boten. Kein Wunder, dass die Toten Hosen mit diesem Refrain einen Hit gelandet haben: „Wanze, Wanze, wanze ich dich endlich wieder“. Ein gutes Jahr werden wir warten müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe