Die Wahrheit: Nackte Pein
Tagebuch einer Trailer-Guckerin: Zwei Vorschauen gibt es derzeit zu besichtigen – zum Donnersmarck-Film und zum Gilliam-Film. Das Ergebnis ist eindeutig …
D raußen herbstdämmert es jetzt wieder früh, da geht man am besten ins Kino, wo es eh schon dunkel ist, und man immer noch schlafen kann, sollte man im falschen Film landen. Damit das nicht passiert, vertraue ich Vorschauen, denn entgegen häufiger Annahme gilt: Trailer lügen nicht.
Es gibt grundsätzlich zwei Zuschauerfraktionen: Die eine ist der Meinung, man darf einen Film schon nach Ansicht seines Trailers hassen, die andere besteht auf der kompletten Packung. Erst wenn auch der letzte Name im Abspann verloschen ist, darf gemeckert werden.
Superchecker wie ich wissen selbstverständlich nach neunzig Sekunden genau, dass es in der Langfassung unmöglich besser kommen wird und entscheiden sich zügig gegen die volle Tortur. Das habe ich mit Gerhard Richter gemeinsam. „Alles was wahr ist, ist schön“, behauptet eine nackte Klavierspielerin im Trailer zu „Werk ohne Autor“, dem Film, der so irgendwie auf seiner Biografie basiert. Richters Blick für die Wahrheit scheint auch im hohen Alter kristallklar, jedenfalls fasste er seine Eindrücke nach Sichtung des Trailers vornehm zurückhaltend mit „zu reißerisch“ zusammen.
Ich bewundere die Contenance des Mannes. Nicht genug, dass da ein offenbar Hemmungsloser dessen Leben verwurstet. „Deine Augen verraten mir, dass du mehr gesehen hast als wir alle“, erklärt allen Ernstes im Trailer ein Beuys-Verschnitt mit Hut und Safariweste dem stumm vor ihm hockenden Kunststudenten Richter in Gestalt von Tom Schilling. Ein Satz, der so peinlich ist, dass er weder im Leben noch im Kino und dort allerhöchstens von Leslie Nielsen in „Die nackte Kanone 44 1/4“ gesagt werden darf. Leider ist Leslie Nielsen tot, und ich warte noch auf einen würdigen Nachfolger.
Was im Trailer hingegen verraten wird, ist der unbedingte Wille des Regisseurs zur Überwältigungsästhetik, zu allem Überfluss schrubben auch noch dauernd Geigen, Synthesizer oder was auch immer über dem in historisch korrekte Ausstattung verpackten Schwulst. „Sieh nicht weg! Nie wegsehen!“, fleht die Nackte am Klavier. Danke, ich mache gerade andere Pläne.
Woanders hinsehen und zwar auf Terry Gilliams „The Man who killed Don Quixote“. Wer je das Making-of „Lost in La Mancha“ seines ersten Verfilmungsversuchs durchlitten hat und Zeuge wurde, wie sein Hauptdarsteller mit doppeltem Bandscheibenvorfall von einer klapprigen Rosinante kippte und mitten in der Wüste sein komplettes Set absoff, der will wissen, wie es weitergeht.
Die Desaster-Doku erwies sich auch nach mehr als zwanzig Jahren als so überzeugend, dass ihm jemand nach Ansicht die fehlenden Millionen für den jetzt fertigen Film gab. Im Trailer dafür krächzt die Hauptfigur mitten im durchgeknallten Getümmel eine ehrliche und stolze Ansage: „Ich bin Don Quixote!“. Da weiß man, was man kriegt, und so freue ich mich auf die Auferstehung des Terry Gilliam im Kino. Trailer-Erfolg: Gilliam eins, Donnersmarck null.
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