Die Wahrheit: Der postmoderne Franz
Donnerstag ist Gedichtetag. Diesmal darf sich die geneigte Leserschaft an einem Poem über einen unverwüstlichen Typ von Mann erfreuen.
Franziskus ist ein frommer Wicht,
der gerne zu den Tieren spricht.
Er referiert ganz ohne Scheu
vor Katze, Stockfisch, Wachtel, Koi.
Zeigt Franzi seine Stigmata
ist gleich der halbe Tierpark da.
Er schwadroniert in einem fort,
jedoch: Kein Tier versteht ein Wort.
Die Vögel lauschen zwar voll Wonne
Franziskus’ Singsang von der Sonne,
doch die Bedeutung raffen sie
nicht im Geringsten – dummes Vieh!
Verständnismäßig eher mau
bleibt’s auch bei Blindschleiche und Pfau.
Und fragend blickt ein jeder Lurch,
geht Fränzchen seine Predigt durch.
Egal, wie lang das Nashorn lauscht,
wenn Franz aus seinem Leben plauscht,
es rafft nichts – ebenso das Biest,
dem er schön die Leviten liest.
Auch Käfer schweigen irritiert,
wenn Franz Franz Kafka rezitiert.
Verständnislos blickt selbst der Rochen,
wenn Franz sagt: Hugh, ich hab gesprochen!
Schlicht: Es versteht ihn keine Sau.
Nicht einmal sie, die eigne Frau.
Egal, wie deutlich er auch spricht,
sein liebes Weib erhört ihn nicht:
„Wann kam dir das Verstehn abhanden?“
„Was sagst du, Franz? Hab nicht verstanden.“
Dies Schicksal stimmt ihn müd und müder –
er zieht ins Kloster seiner Brüder.
Heut sieht man Franz als Vorbild an,
als ersten postmodernen Mann:
Er kann nicht nicht kommunizieren.
Mit Frauen nicht und nicht mit Tieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja