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Die WahrheitDie Blutwurstrache Albaniens

Kolumne
von Thomas C. Breuer

Das Land ist federführend bei der Reptilienküche, nirgendwo mundet der Kosovowaran besser. Wann erfolgt der EU-Beitritt der Skipetaren?

A nscheinend herrscht in der EU noch immer Mangel an Mitgliedsländern, anders lassen sich die Beitrittsverhandlungen mit Albanien nicht erklären. Es gibt aber auch Vorteile: Mit Albanien könnte man endlich den europaweit starken Abwärtstrend in Sachen Korruption aufhalten. Der EU brächte ein Beitritt Albaniens eine Professionalisierung des Zigarettenhandels und eine flächendeckende Ausweitung der Blutrache.

Probleme gibt es bei der Energieversorgung: Albanien hat immer weniger Kohle, zudem gibt es im Land einfach zu wenig Steckdosen. Mit gezielten Sonnenscheinlieferungen könnte es der EU gelingen, zumindest etwas Licht und Wärme in die Schattenwirtschaft zu bringen.

Vor allem würde ein Beitritt endlich barrierefreien Zugang zur albanischen Kunst ermöglichen, zu den Werken von Al Bano oder Jessica Alba, und – weit wichtiger – zur albanischen Küche, die ja als fester Bestandteil der Balkonküche auf dem Balkan vor allem dem Kampfgriller neue Dimensionen erschließt. Obwohl sich die Albaner nur ungern in die Karten gucken lassen – was auch für Speisekarten gilt.

Dabei verblüffen die Skipetaren mit einer außergewöhnlichen Küche, die nicht allzu fern der griechischen angesiedelt ist. Die albanische Küche tendiert zu einer gewissen Rigorosität, die auf orientalische Einflüsse zurückzuführen ist, man denke nur an Datteln und Ohrfeigen, geschlagene Butter oder grobe Leberwürste.

Gern vertilgen die Albaner auch Nutztiere, die ja nicht zufällig so heißen: Brathendl, Suppenschildkröte, Räucherlachs, Mastochse, Grille – allesamt gern gesehene Gäste in den Küchen von Durrës bis Vlora. Längst ist Blutwurst beliebter als Blutrache, und Fischgerichte sind gängiger als Standgerichte.

Albanien ist zudem federführend bei der Reptilienküche, nirgendwo auf der Welt mundet der Kosovowaran besser als im Spezialitätenrestaurant in der Hauptstadt Piranha. Für manche Speisen bedarf es jedoch Einbildungskraft, zum Beispiel „Patëllxhane te mbushura“, das sind gefühlte Auberginen oder gefüllte Schafsdärme, die vorher glücklicherweise entleert werden. Als Füllung verwendet man Crystal Mett.

Leider werden die Garzeiten wie bei den Griechen überstrapaziert, weshalb manche Zutaten ausgelaugt wirken. Exzellent kennen sich die Albaner dafür mit Kräutern aus, so wird die traditionelle Bohnensuppe „Fasula“ mit Basilikum und Origami aufgepeppt.

Trotz eines geradezu dramatischen Sparzwangs weiß man sich zu helfen: Beim Löffelstör isst man das Besteck gleich mit. Aus nichts etwas zu zaubern, ist für die Sterneköche Albaniens eine leichte Übung, beispielsweise beim beliebten Dessert „Revani me Niseshte“ ­– aus Stärke, Wasser, Butter und Zucker wird eine leckere Süßspeise gezaubert. Wer keine Schwäche zeigen will, nimmt eben Stärke.

Auf den Ausgang der Beitrittsgespräche mit Albanien darf man gespannt sein, ebenso wie auf die Fußtrittgespräche mit der Türkei.

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