Die Wahrheit: Das ist Fäkt, Digger!
Bitches brauchen keine Muschis, wenn das Englische ins Deutsche einreitet. Eine Sprachkritik.
„Hallway Swimming, Desk Safari, Cat Bearding, Batmanning, Vadering, Mamming, Hadokening, Harlem Shake, Prancercise und 17 Millionen Sorten Selfies“, erkannte die tazeinst als kommende Trends. Sie meinte es ironisch, während einige Jährchen zuvor die Modemacherin Jil Sander im Ernst diesen Content ins FAZ-Magazin abseilte: „Mein Leben ist eine giving-story. Ich habe verstanden, dass man contemporary sein muss, das future-Denken haben muss. Meine Idee war, die handtailored-Geschichte mit neuen Technologien zu verbinden. Und für den Erfolg war mein coordinated concept entscheidend“ – sowie eine sprachliche Technik, ja: Technologie, die Deutsch und english zeitgemäß und sogar contemporary coordinated. Wow!
Die Beziehung zwischen Englisch und Deutsch ist – wo Jil Sander recht hat, hat sie absolutely recht –, in der Tat eine gelungene giving- und nehming-story mit lustigen „Punchlines“, wo aus englischen „Models“ und deutschen „Modellen“ schöne „Modells“ (taz) werden, während Nina Hagen für andere junge Frauen schon mal „das perfekte Rollen-Model“ war (One).
Das future-Denken erlaubt es auch, Fremdwörter, die aus dem altmodischen Französisch eingewandert sind, durch moderne englische zu ersetzen, sodass der hochnäsige aristokratische „Glamour“ mit seinen blöden Juwelen und Seidenstoffen dem demokratischen „Glamor“ mit seinen Glasperlen und Plastikteilen weicht. Auch werden Begriffe wie „Journalist“ oder „Jury“ viel hipper mit englischem Anlaut, das belgische „Waterloo“ sogar ganz englisch ausgesprochen – Globalisierung, Leute!
Klässiker in Kälifornien
Aus diesem coolen Grunde heißt es auch richtig „Kälifornien“ (3sat), trägt Kolumbus den Vornamen „Christopher“ (Phoenix), kennt Franz Beckenbauer „Klässiker“ unter den Fußballländerspielen und lädt die taz statt zur anachronistischen Bierverkostung ganz handtailored zum „Biertasting“.
Das knarzige Deutsch wird fit gemacht für die future! Zum Glück ist das „nicht wirklich“ („not really“) schwer, sondern „wundervoll“ („wonderful“) einfach, weil beide Sprache sehr, o no: „so“ eng verwandt sind. Deshalb verändern auch „so“ viele Wörter unter englischem Einfluss ganz easy ihre behinderte alte Bedeutung und klingen noch oldfashioned, sind aber inwendig längst state of the art. Dazu zählt die „Mission“, die jetzt – bitte das „zu realisieren“ (sich bewusst zu machen) – eine Aufgabe, ein Ziel, ein Unternehmen oder einen Feldzug bedeuten kann, weshalb hoffentlich noch die „Mission Barbarossa“ das Licht der WK-II-Dokus erblicken wird. Lässt sich sogar englisch aussprechen, yeah!
Deutsch muss englisch sein, oder es wird gar nicht sein, so ungefähr hat es ein namhafter Visionär vor einiger Zeit stylish auf den Punkt gebracht. Dass er genaugenommen statt über die Sprache über Deutschland als Weltmacht schrieb, war natürlich bullshit. Es muss global player heißen, wir sind doch contemporary. Hey!
Deutsch ist Old School
In der globalen Welt ist Deutsch Old School und muss New School werden. Deshalb ist es auch allright, wenn ein Netzwerk, das sich die Sorge um den Lehrernachwuchs auf die Fahne geschrieben hat, „Teach First Deutschland“ heißt oder eine Ausstellung über den Sprachforscher Eberhard Zwirner, der das Deutsche Spracharchiv gründete, den (von The Police gemopsten) Titel „Every Word You Say“ trägt. In english, please! Schon damit sich der entsprechend ausgebildete Nachwuchs später in der Firma mit Dänen, Italienern und Chinesen verständigen kann. Und mit anderen jungen Deutschen! Oder ist es zu viel verlangt, auf Englisch zu kommunizieren? Come on, Briten und Amerikaner können es schließlich auch. Internationalisierung, that’s it!
Und, don’t worry: „Am Ende des Tages“, wenn die Nacht hereinbricht, wird auch Deutsch entsprechend aufgepeppt und up to date sein. In den Medien, der Wirtschaft und der Wissenschaft gehört es schon heute zur täglichen „Routine“ (ist Alltag), und „in“ Reaktion auf die Anglisierung des Planeten sagt man „in“ Englisch, was auf Deutsch nicht halb so catchy klänge. Deshalb heißen ja die drei Projekte, mit denen in Göttingen Soziokulturschaffende auf Mittel von der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur hoffen, total contemporary „Living Lab – Otfried’s Garden“, „Westside Culture (Clash“) und „Open the Outside“. Man spotte jetzt nicht über Leute, die ihre outside offen haben! Keine Witze über social startups und social entrepreneurship, got it, stupid?
Anyway! Die globale, ja glokale Kommunikation ist englisch geprägt, das ist „Fäkt“ (WDR 5) – und das Englische als influencer, ja intruder und invader wie Exterminator besorgt es nicht nur der großen, weiten Welt, sondern macht sich last, but not least auch im Intimsten breit. „Liebe machen“ und „Sex haben“ sind aus dem Englischen übersetzte contemporary Bezeichnungen für eine gefühlsbefreite, geschäftsmäßige Erledigung. „Warum Vagina sagen, wenn auch pussy geht?“, stellt die tazeine rhetorische Frage. Die liebliche „Muschi“ hat sie nicht mehr im Angebot, wozu auch? Welche bitch braucht denn so was?!
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