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Die WahrheitHomo-Ehe im Ameisen-Biotop

Kolumne
von Jenni Zylka

Wieso sollte die Blattschneiderameise nicht heiraten dürfen, wollte das Söhnchen wissen, und war sofort bereit, das ebenfalls ungerecht zu finden …

A m Freitag entscheidet ja der Bundesrat, ob er sich der Klage der Grünen beim Bundesverfassungsgericht zur Homo-Ehe anschließt. Und ganz passend dazu trug das Söhnchen vor ein paar Tagen sein Übungsheft mit „Lernwörtern für das Diktat“ nach Hause, mit der Bitte, diese Wörter gemeinsam mit ihm zu üben (die Zeiten des überraschenden „Hefte raus, Klassenarbeit!“ sind längst vorbei). Es handelte sich dabei um folgende, in schönster Schreibschrift (Lineatur 3) vermerkte Wörter: „Blattschneiderameise“, „Blätter“, „Mundwerkzeuge“, „Pilzgarten“, „Bakterien“, „eingetragene“ und „Partnerschaft“.

Und obwohl ich bei der Lektüre der ersten fünf Lernwörter meinte, ganz sicher zu sein, worum es in dem angekündigten Diktat am nächsten Tag gehen würde, merkte ich bei den letzten beiden Worten neugierig auf. War vielleicht doch nicht das Leben der Blattschneiderameise mit dem Genuss leckerer Blätter durch die praktischen Mundwerkzeuge und dem Anlegen von Pilzgärten mit Hilfe von Bakterien das Thema, sondern die himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass Blattschneiderameisenköniginnen nicht heiraten, sondern sich nur durch eingetragene Partnerschaften verpartnern dürfen – und somit große Schwierigkeiten beim Adoptieren der Millionen von Blattschneiderameiseneiern bekommen?

Wieso sollte die Blattschneiderameise nicht heiraten dürfen, wollte das Söhnchen wissen, und war sofort bereit, das ebenfalls himmelschreiend ungerecht zu finden. Schließlich heiraten Tiere alle naselang, vor allem Vögel, fiederallalla, fiederallalla, und wenn jemand daran zweifelt, dass es schon sehr stark in Richtung Homo-Ehe geht, wenn eine Amsel eine Drossel heiratet, dann sollte er noch mal stark überlegen: DIE Amsel war der Bräutigam, DIE Drossel war die Braute! (Und die Anten, die Anten, die war’n die Musikanten. Bin mir nicht sicher wo die Anten leben, vielleicht in den Anden.)

Enorm neugierig wartete ich also Diktat und Rückgabe des korrigierten Diktathefts ab („kein Fehler, super!“), welches das Söhnchen mir stolz über den Tisch schlitterte. Und stellte fest, dass die Blattschneiderameise sich anscheinend doch nicht so stark für das Thema Homo-Ehe erwärmte, wie ich gehofft hatte: Die erwähnte „Partnerschaft“ bezog sich auf die Symbiose zwischen der Ameise und dem Pilz, und die Ameise beschäftigt sich ansonsten damit, die in das Nest „eingetragenen Blätter“ später aufzufuttern, oder so ähnlich. Ppphö. Da ist auf jeden Fall noch ein wenig Aufklärung vonnöten, um das Tierreich für die Problematik zu sensibilisieren, vor allem vielleicht die Elefanten, die ja für besonders lange Beziehungen bekannt sind, und bei denen es laut einer Studie in bis zu 45 Prozent der Fälle gleichgeschlechtliche Aktivitäten gibt.

Denn auch wenn sich bislang noch keine Ameisenkönigin in eine andere verliebt hat: Das wird passieren. Und wenn die beiden Queens dann heiraten und die Eier der jeweils anderen adoptieren wollen, dann sollten sie es verdammt noch mal auch legal dürfen.

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