Die Wahrheit: Die neue Luftbrücke
Berliner Logistik: Der Flughafen Tegel bleibt ein für allemal – und der in Schönefeld ist sehr bald nur noch himmlisch erreichbar.
Markus Meinhardt von der Bürgerinitiative „FTB – Flughafen Tegel bleibt!“ ist hocherfreut. „TXL für immer offen!“, ruft er, in die Hände klatschend. Als jüngst Post von der Landeswahlleiterin kam, dass der Volksentscheid genehmigt sei, weinte er fast. „Der schönste Moment meines Lebens!“ Am 24. September, dem Bundestagswahltag, entscheidet Berlin über das Schicksal von Tegel – und somit über das Schicksal der gesamten Stadt.
Denn amerikanische Wissenschaftler haben vor Kurzem überraschend festgestellt, dass der Hauptstadtflughafen BER, falls er einmal eröffnet werden sollte, so gut wie gar nicht von den Fluggästen zu erreichen ist.
„Also, es gibt natürlich Fußwege dorthin. Von der Autobahn aus. Aber mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist es problematisch“, sagt Meinhardt. Die einzige S-Bahn-Strecke, die zum BER fährt, ist einspurig und der Bahnhof viel zu kurz ausgelegt, er hat gerade einmal Platz für zwei S-Bahn-Wagen. Den erhofften Fluggastansturm wird er nicht bewältigen können.
Wir brauchen die U7 nicht
„Und sobald der erste Schnee fällt“, so Meinhardt, „stellt die S-Bahn ihren Betrieb ein und der BER ist von der Außenwelt abgeschnitten.“ Ein Ausbau der U-Bahn-Linie 7 dauert wahrscheinlich zehn Jahre. Aber er muss erst einmal diskutiert werden, ehe er eventuell genehmigt wird. In 15 oder 20 Jahren beginnt man dann vielleicht mit dem Bau. Der Flughafen Tegel, 1974 eröffnet, hat bis heute keine U-Bahn, und Tempelhof hatte nur deshalb eine, weil er direkt neben einen bestehenden U-Bahnhof gebaut wurde.
„Aber wir brauchen die U7 nicht“, sagt der FTB-Mann, faltet einen Stadtplan aus und zeigt auf das Regierungsviertel. „Wie kommen Sie zum Hauptbahnhof“, fragt Meinhardt rhetorisch und antwortet auch gleich: „Mit der S-Bahn. Und wie kommen Sie zum Flughafen? – Na?“ Er macht eine kleine Kunstpause, fährt fort: „Genau. Mit dem Flugzeug. Der BER ist weltweit der einzige Flughafen, der eigentlich nur aus der Luft zu erreichen sein wird.“
Charles de Gaulle äh in Frankreich …
Deshalb planen Meinhardt und die FTB einen Flugshuttle-Service. „Von Tegel nach Schönefeld. Die Fluggäste fahren wie gewohnt mit dem Bus nach Tegel und dann . . . also, wenn Sie . . . vom Flughafen Tegel in Tegel . . . mit zehn Minuten, ohne dass Sie am Flughafen BER noch einchecken müssen, dann starten Sie im Grunde genommen am Flughafen . . . in Tegel starten Sie Ihren Flug. Zehn Minuten. Schauen Sie sich mal die großen Flughäfen an, wenn Sie in Heathrow in London oder sonst wo, Charles de Gaulle äh in Frankreich oder in . . . äh . . . in . . . in . . . äh . . . Wenn Sie sich mal die Entfernungen ansehen, wenn Sie sich mal Frankfurt ansehen, dann werden Sie feststellen, dass zehn Minuten . . . Sie jederzeit locker in Frankfurt brauchen, um ihr Gate zu finden. Wenn Sie vom Flug . . . vom . . . von Tegel starten – Sie steigen in Tegel ein, Sie fliegen mit dem Shuttle in zehn Minuten zum Flughafen . . . zum BER. Dann starten Sie praktisch am Flughafen Tegel in Tegel. Das bedeutet natürlich, dass Tegel im Grunde genommen näher an Berlin . . . heranwächst, weil das ja klar ist.“
Wieder klatscht Meinhardt freudig in die Hände. „Das ist sozusagen eine kleine Luftbrücke. Das ist Tradition. Und mit ein bisschen Glück kriegen wir auch Tempelhof wieder.“ Kapazitätsprobleme befürchtet er nicht. Die kleinen Fluggesellschaften hätten Maschinen, die sich für einen Shuttlebetrieb ausgezeichnet eigneten. „Die Air Berlin zum Beispiel, die könnte ihren Flugbetrieb ganz auf Berlin konzentrieren. Die BVG fährt ja auch nicht in London U-Bahn. Außerdem werden Freizeitpiloten aus dem Umland eingeladen, sich zu beteiligen. Darum kümmert sich unser Kooperationspartner, die Firma Uber. Und später gibt es dann Ein-Personen-Drohnen von Amazon, die setzen Sie direkt vor der Haustür ab – wenn Sie Amazon Prime Kunde sind.“
Ganz egal ob sie dafür oder dagegen sind
Ein weiterer Pluspunkt eines Shuttlebetriebs wäre, dass Tegel ein Betriebsteil des Hauptstadtflughafens würde. Damit wäre dann auch der Eröffnungstermin des BER mehr als pünktlich eingehalten. Meinhardt klatscht freudig in die Hände. „Und im Grunde kann man das Ganze internationalisieren, ja globalisieren. Tegel kann auch anderen europäischen Flughäfen als Shuttlestation dienen: London, Paris, Rom.“
Deswegen arbeitet die FTB jetzt daran, dass der Volksentscheid ausgeweitet wird. „Das ist ja nicht mehr nur die Entscheidung der Berlinerinnen und Berliner, das muss ganz Deutschland entscheiden! – Aber nun entschuldigen Sie mich, ich muss mich wieder um die alles entscheidende Volksentscheid-Frage kümmern. Das ist total wichtig. Die Frage muss so gestellt werden, dass die Bürgerinnen und Bürger zwar nicht verstehen, aber automatisch ja ankreuzen, ganz egal ob sie dafür oder dagegen sind“, erklärt der gelernte Psycholinguist.
Und wenn alle Stricke reißen, hat die FTB noch einen Plan B im Ärmel. „TXL wird einfach für einen Tag geschlossen und danach als BER-Shuttleport neu eröffnet. Wir schaffen das.“ Markus Meinhardt klatscht freudig in die Hände. Tegel bleibt offen.
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