Die Wahrheit: Der Quarkrührer
Für seine enormen Verdienste als Förderer der Sportsprache erhält der „Kicker“-Oberboss Rainer Holzschuh einen Sonderpreis der Wahrheit.
Im Oktober dieses menschheitsgeschichtlich höchst bedeutsamen Jauchejahres veranstaltete die im „Dürerhauptquartier“ (Philipp Moll) Nürnberg ansässige Alldeutsche Akademie für Fußball-Kultur zum elften Mal eine Jahresgala, auf der nunmehr fünf Preise für Leistungen und Initiativen verliehen wurden, die die Fußballkultur oder die Kultur des Fußballs oder den Fußball der Kultur oder die Kulturalisierung des Stoßens eines Balls mittels eines Fußes wuchtig voranbringen; teils durchaus sinnvolle Auszeichnungen für soziale Integrationsarbeit oder das Schreiben von Büchern, teils lässliche (für Blogs und Sprüche) und eine eher dubiose: der Walther-Bensemann-Preis.
Ebenjenen haben – für ihr Lebenswerk – bereits die ehrenhaften Männer Alfredo di Stéfano, César Luis Menotti und Bobby Charlton entgegengenommen, aber auch solche Sauberbatzen wie Beckenbauer, Rehhagel und Netzer. In diesem Jahr war die Wahl auf Alex Ferguson gefallen, da will man nicht meckern.
Formulierungsfex bereitet Sprachschmaus
Jeden Dezember erreicht mich, der ich tatsächlich Mitglied besagter fußballphilosophischen Schulungsanstalt bin, zum weihnachtlichen Feste ein Jahresbericht der Akademie und eine Sonderbeilage des Kicker, in der man die erwähnte Jubel- und Trubelfete Revue passieren lässt. Diesmal warf ich einen Blick in das Editorial des Herausgebers Rainer Holzschuh – und fand mich unverzüglich in der zauberhaftesten Jahresendzeitstimmung wieder. Was für einen Sprachschmaus hatte der ehemalige Pressechef des DFB, dieser von mir seit Vorzeiten vergötterte Formulierungsfex, da angerichtet, ja geradezu in Edmund Stoiber’scher Manier hingerichtet!
„Absoluter Höhepunkt einer jeden Gala ist dabei eine Ehrung, die nach dem Gründer des Kicker, Walther Bensemann, benannt ist und in Deutschland wohl Einmaligkeit bedeutet“, schreibt Holzschuh. Eine Ehrung indes bedeutet – transitiv – nicht bloß Einmaligkeit (statt lediglich einmalig zu sein), sondern obendrein ein Ereignis, zumal ein besonderes: „Ihn in Nürnberg auszuzeichnen bedeutete für alle Teilnehmer ein besonderes Ereignis.“
So endet diese offene Epistel aus der Schnitzerwerkstatt des Fußballsprachkultursonderleisters Rainer Holzschuh, und sie beginnt damit, dass die Akademie „eine Jahres-Gala“ „startete“ (auf die Plätze!), mit der sie schon vor zehn Jahren was beabsichtigt hatte? „Mit der sie der breiteren Öffentlichkeit einen Querschnitt ihrer Philosophie aufzeigen wollte.“ Denn in der Schule soll man aufzeigen, wenn es um den Querschnitt ihrer Philosophie geht.
Es ist wirklich wahr: Ein einziger kümmerlicher Satz in diesem gnadenreichen Sendschreiben ist grammatikalisch und stilistisch halbwegs noch ganz dicht. Der hier allerdings nicht: „Wichtig ist für alle, die sich für diese ‚Fußball-Akademie‘ interessieren oder sich gar in ihr engagieren, die Bedeutung des Fußballs über rein emotionale Sicht hinaus auf seine soziale, integrative Kraft, ja ästhetische Kultur zu vertiefen.“
Ich habe mich nicht vertippt. Steht da tatsächlich so. Oder das: „Manche Nachahmer haben eigene Gruppierungen gefunden, um auf ähnliche Weise den Fußball zu interpretieren.“ Das sind vermutlich die Blogger, die ihre eigenen Blogs allerdings kaum gefunden haben. Sie dürften sie gegründet oder eingerichtet haben, getrieben von „der Vision …, den Blick nicht nur auf Ergebnisse, Tabellen und Spielabläufe zu richten“, nämlich darüber hinaus auf Spielverläufe, die sie sich offenbar einbilden.
Buchstabenwurm voller Fehler
Einen noch? Gut. Wie viele Fehler finden Sie in diesem Buchstabenwurm? „Ein Kompliment für die Initiatoren der Akademie und alle die, die sich dazugehörig fühlen, ebenso für die Verantwortlichen mit der Stadt Nürnberg, dem Kicker-Sportmagazin als fachlicher und medialer Partner sowie der Teambank als Sponsor von Beginn an.“
Der Einsender, der die meisten Fehler ranschleppt, kriegt von mir ein Sixpack Tucher Nürnberger Pils (mit Fehlnoten). So weit die deutsche Zunge auch klingt, kein anderer räumt die Sprache, die mit ihrer Hilfe gesprochen wird, gründlicher ab als Rainer Holzschuh, der Präsident des Verbandes Europäischer Sportmagazine. Der Sportsprachrührquarkpreis 2016 also geht, auch in dieser mesosphärischen Höhe voll verdient, frei Haus an Prof. Rainer Holzschuh, Nürnberg. Lasset die Kronkorken emporschießen und die Sektfontänen knallen!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen