Die Wahrheit: Das Karma der Drohnen

Der Zufall einer Begegnung führt zu einer Konversation über Fußball und Literatur, Kultur und Technik zweier schmutziger alter Säcke.

Unschlagbar originell kreuzten sich unsere Pfade: Kollege Heuser hatte zusammen mit etwa 24.000 Zeitgenossen das Schwarzwaldstadion verlassen – SC Freiburg hatte gegen Eintracht Frankfurt 1:0 gewonnen –, ich kam grad aus der Bibliothek zurück. Vor mehr als zwanzig Jahren hätte es sich umgekehrt ergeben, ich Stadion, er Bibliothek, aber dies nur am Rande.

Wir gehorchten dem Zufall der Begegnung, um nun im „Swamp“ ein Bier zu trinken, wohl wissend, dass es dort nach dem Spiel eng und laut, nein, sehr eng und sehr laut sein würde. Wunderbar, mit anderen Worten.

Nach dem Austausch über Fußball oder Literatur – keine Ahnung, man konnte ja kaum ein Wort verstehen – verfiel Heuser, da wir unversehens hinten einen Tisch ergattert hatten, auf gleichsam herbstliche Impressionen. Manchmal sehe er sich, sagte Heuser, als den Typus des älteren Herrn, der sich wacker bemüht, den Anschluss zu halten zu den aktuellen Erscheinungen in Sachen Kultur und Technik, Netz und Kommunikation, der aber gerade dadurch bekundet, den Anschluss verloren zu haben.

Gegen den Gram älterer Herren greife ich zurzeit auf den Schriftsteller Charles Bukowski zurück. Ich hatte neulich nachgeschaut, in welchem Alter der seinen Kolumnenband „Notes of a Dirty Old Man“ 1969 veröffentlicht hatte. Bukowski war da 49 gewesen! Oder hatte er den Titel etwa ironisch gemeint?

Heuser fügte offenbar wahllose Beispiele hinzu, um seine vermeintliche Anschlussunfähigkeit zu illustrieren. So hatte ihm seine Tochter mitgeteilt, dass wir längst im Post-Internet-Zeitalter leben, weil das Netz völlig in den Alltag integriert ist, zu diesem keine Gegenwelt mehr bildet. Darüber wolle er nachdenken.

Während ich dazu ansetzte, beinahe ernsthaft darauf hinzuweisen, dass sich nach wie vor eine zweidimensionale Welt von einer dreidimensionalen unterscheide, holte Heuser ein anderes Sujet aus dem Köcher. Er habe – „Moment, muss ich mein Notizbuch hinzuziehen“ – er habe von der Kamera-Drohne „GoPro Karma“ mit dem „Action-Cam Hero 5 Black“ gehört, ein „Quadcopter“, der bald erhältlich sein wird. Koste knapp 870 Euro.

Ich sagte fürsorglich: „Hab ich jetzt nicht verstanden. Dich interessiert vorwiegend das Karma in dem Produktnamen? Also dieser hinduistische und buddhistische Begriff? Der für die Wirkungen jeder Handlung, jedes Gedankens, insbesondere die Rückwirkungen auf dich selbst steht? Oder geht es dir bei der Kamera-Drohne darum, die Brücke von Drohnen fürs Vergnügen zu den militärischen Drohnen zu schlagen? Das wusste Heuser noch nicht so genau. Und meinte dann, das müsse doch gar kein Entweder-oder sein, sondern dass beide Ansätze zu verfolgen seien.

Endlich kam Chico, der Wirt, auf einen Gruß vorbei. Und später geriet Bukowski wieder in die Debatte. Zu der US-Wahl 1968 zwischen Nixon und Humphrey meinte er etwa, es gleiche einer Wahl zwischen kalter und aufgewärmter Scheiße. Ist länger her.

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kari

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