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Die WahrheitGlasklar und nüchtern

Nach dem staunenerregenden Facebook-Post eines 29-jährigen Laien müssen sämtliche Weltreligionen als endgültig widerlegt gelten.

Nur der Dalai Lama denkt nicht daran, seinen florierenden Humbug-Handel aufzugeben Foto: ap

Thomas Krahwinkel ist das, was man ein unscheinbares Kerlchen nennt: Brille, blasse Haut, hellrote Haare, schmächtige Statur. Auch sein Leben erregte bisher nicht das geringste Aufsehen.

Krahwinkel wurde in Bielefeld-Senne (Ortsteil Windelsbleiche) als Kind eines Physiklehrers und einer Controllerin geboren, wuchs vor Ort auf, ging zur Schule, studierte Chemie und arbeitet heute bei Dr. Oetker in Bielefeld als diplomierter Schaumschläger. Bis vor Kurzem hätte niemand damit gerechnet, dass der laut Kommilitonen „harmlose Nerd“ einmal die Welt aus den Angeln heben würde.

Doch am vergangenen Samstag postete Krahwinkel nach dem Konsum einer Folge „Big Bang Theory“ und laut eigener Aussage „aus purer Langeweile“, folgende Sätze auf Facebook: „Oh man, sind diese Religioten bescheuert. Genauso gut könnte ich behaupten, mein unsichtbarer Freund sei ein fliegendes Spaghettimonster. Lol. Wer so was Widersprüchliches wie einen guten, allmächtigen Gott oder ein ewiges Leben nach dem Tod behauptet, der muss 1 Beweis vorlegen. Bämm! Und nicht derjenige, der sich weigert, den Unfug zu glauben. Bämm.“

Das argumentativ brillante Posting wurde nicht nur innerhalb von 45 Minuten über 6.666 Mal mit „Gefällt mir“ geadelt, sondern fast ebenso oft geteilt. Keinen Tag später zirkulierte der geniale Gedanke bereits durch zahlreiche Zeitungen sowie Radio- und Fernsehsender im In- und Ausland und entfachte Debatten – mit ungeahnten Konsequenzen.

Monströses Hirngespinst

Als Erster warf Papst Franziskus das Handtuch. Bei einer Pressekonferenz sagte der 79-jährige Argentinier, er könne aus seinem Herzen nicht länger eine Mördergrube machen, erklärte kraft seines Amtes die Katholische Kirche zu einem monströsen Hirngespinst und befahl allen Priestern, den Unfug sofort einzustellen. Viele Rabbiner, Imame, griechisch-orthodoxe Priester, evangelische Pfarrer und barfüßige Bettelmönche vom Ordo Quia Absurdo folgten seinem Beispiel. „Was hat es noch für einen Sinn?“, fragte Rabbi Zalman Druck von der Großen Synagoge in Jerusalem. „Jetzt wo dieser Bengel es ausgeplaudert hat, ist der ganze Zauber dahin.“

Papst Franziskus hat die Katholische Kirche zu einem monströsen Hirngespinst erklärt

Weniger einsichtig zeigte sich das Oberhaupt des tibetischen Buddhismus. Seine lukrativen Vortragsreisen werde er deswegen nicht abbrechen, ließ der Dalai Lama die Presse wissen. Viele seiner schönsten Weisheiten behielten Gültigkeit, zumal er so gut wie nie von Gott, ewigem Leben oder Spaghetti rede. Hinduistische Brahmanen reagierten dagegen erleichtert und gaben an, bereits vor etlichen Wiedergeburtszirkeln die Lust an ihrer komplizierten Religion verloren zu haben.

Messias der Atheisten

Krahwinkel zeigte sich von den raschen Konsequenzen völlig erschlagen. „Wow“, begann sein erstes Posting nach drei Tagen Funkstille. „Jahrtausende voller großer Geister. Und dann komme ich und… bämmm! Kann’s selbst noch nicht fassen.“

Obwohl Krahwinkel weltweit von vielen Atheisten als neuer Messias verehrt wird, will der praktizierende Naturwissenschaftler bodenständig bleiben. „Ich gehöre zu einer verschworenen Minderheit von hellen Köpfen, die gegen ein Heer von Trotteln angeht“, verrät er uns. „Aber das liegt an meiner DNA. Die habe ich mir nicht ausgesucht.“ Auf die Frage, was er an Religionen ablehne, ist der Chemiker um eine Antwort nicht verlegen: „Das Schwarz-Weiß-Denken und diese dämlichen Vereinfachungen. Diese beknackten Religioten müssen immer alles total vereinfachen.“

Krahwinkel will seine Ansichten dagegen ausschließlich auf Fakten und überprüfbare Methoden gründen. „Ich habe alles von Richard Dawkins gelesen. Da merkt man gleich, dass das ein empirisch arbeitender Naturwissenschaftler ist, zum Beispiel wenn er glasklar und nüchtern formuliert: ‚Religion ist ein Virus aus der Bronzezeit.‘“

Wer ist Feuerbach?

Sein Erfolg macht Krahwinkel Mut. Nun möchte er richtig losmissionieren. „Noch immer laufen da draußen verblödete Vollhonks herum, die an Allah, den Osterhasen, Globuli oder an den Aufstieg von 1860 München glauben.“ Der bekennende Atheist zeigt stolz die Aufkleber mit dem durchgestrichenen Fisch, seinen Jutebeutel mit dem Aufdruck „Atheist“ sowie seine Charles-Darwin- und Douglas-Adams-Altäre. „Propheten sind durch die Bank Neurotiker“, sagt er, „wenn nicht gar Bordercollies oder wie diese Gestörten heißen.“

Allein das müsse den Milliarden gehirngewaschener Deppen zu denken geben, die er noch zu heilen gedenke. Als wir anmerken, dass „Deppen“ womöglich etwas hart klingt, sagt er entschuldigend: „Ich meine das gar nicht böse. Das ist eben der Dunning-Kruger-Effekt: Wenn jemand inkompetent ist, dann kann er nicht wissen, dass er inkompetent ist.“

Zum Abschluss des Gespräches wünschen wir dem jungen Mann alles Gute für seinen Lebensweg auf den Spuren Feuerbachs. Er sieht uns verdattert an. „Feuerbach? Wer ist Feuerbach?“ Wir wollen es gerade erklären, da verschwinden wir samt Bielefeld und Krahwinkel in einer Raum-Zeit-Falte.

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15 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Dieser Kommentar lässt einen ratlos. Sollen jetzt die missionierenden Atheisten in Gestalt des fiktiven Thomas Krahwinkel lächerlich gemacht werden oder geht das Wunschdenken in Richtung eines schwachen Papstes, der angeblich auf einen Post antwortet, wie er zu tausenden im Internet steht? Oder soll auf die Verständigung der Religionen vor zunehmendem Deutschen Unglauben hingewiesen werden? In Zeiten, wo das Geld regiert, wirken solche Artikel einfach peinlich, gestrig.

  • Robert A. Heinlein schrieb: "Thou Art God"

     

    Füllt diesen Spruch mit Leben, und er wird wahr. Laßt es bleiben, und er ist wahr.

  • Überlassen Sie Satire denen, die was davon verstehen. Nein, nicht Charlie Hebdo.

  • Als Gottesbeweis geht's allemal noch durch. Epikur muss es wohl gewesen sein, der einmal gesagt hat: "Wenn Gott immer gerade nicht da ist, wo man ihn braucht, wieso verpasst dann der Teufel keinen einzigen seiner Termine?"

  • Wer ist Feuerbach?“ Wir wollen es gerade erklären, da verschwinden wir samt Bielefeld und Krahwinkel in einer Raum-Zeit-Falte.

     

    so oder ähnlich wird es wohl sein - zumindest ist sie vom Wahrheitsgehalt genauso groß wie die von Menschen gemachten Götter Geschichten.

  • 8G
    889 (Profil gelöscht)

    Eigentlich kann man das Internet nach diesem Artikel abschalten. Bämm.

  • Satire darf alles!?

    Satire darf sich mit Religion beschäftigen - warum nicht - Religion ist genauso kritischer Auseinandersetzung zugänglich wie alle anderen Lebensthemen.

    ABER!

    Satire kann genauso kritisch hinterfragt werden. Satire sollte m.E. einen Sinn haben, einen Zweck verfolgen, der Sinn macht.

    Gerade der Dalai Lama steht in dieser Welt für einen Menschen mit einer unglaublichen integrativen Kraft. Wozu also gerade ihn heraussuchen und mit dem Titel "Nur der Dalai Lama denkt nicht daran, seinen florierenden Humbug-Handel aufzugeben " verbinden? Das was der Dalai Lama die Menschen lehrt ist sicher nicht, dass es irgendwo im Universum einen anthropomorphen Alten Mann gibt, der die Erde mit seiner Hände Kraft geformt hat. Also sollte doch die Frage erlaubt sein, worin die Kunst dieses Artikels besteht, wenn Satire doch Kunst ist - und nur als solche gestehen wir ihr Grenzüberschreitungen und Ironie zu - nicht als billige wenig reflektierte Beschädigung von Werten.

    • @Georg Marder:

      für @ …Hawkins

       

      Nö - ja - doch - sowieso!

       

      "Dürfen - darf man alles!"

      Hier hat aber nur'n Marder ganz nüchtern¿ am - klar -

      Glasfaserkabel rumgeknabbert - lecker!;) schonn!

      • @Lowandorder:

        Herr Marder sagt ja genau das: Dürfen darf man alles. Nur sollte es auch Sinn machen. Satire z.B. sollte komisch, intelligent und originell sein, sonst ist sie keine Satire. Das hier ist aber nur abgedroschen, banal und fad.

  • Alles Sekten-Quatsch -

     

    Der Junge ist doch auch bloß der

    Diener seines Herrn - &

    Hat Dr. Oetkers Geheimformel -

    Recycelt - Bitte Herr von Bielefeld:

    "Backpulver hausfrauengerecht in handliche Papiertütchen abpacken!"

    Merke: "Wer zuviel bäckt -

    Kriegt den Back&Erdowahn!"

    (Backbrösel by Werner Wernersen!)

    Gerne. Dannichfür.

     

    kurz - tazis hams heut in tiefer Selbsterkenntnis mit - Fingerfood!;))

  • Satire darf alles, nur nicht öde sein. Leider hat Anselm Neft dieses Ziel verfehlt.

  • Diese "Wahrheit" ist aber die Wahrheit! Gut verpackt und glaubwürdig. Auch wenn sie vielen nicht passt, es passt.

    • @Querdenker:

      "Diese "Wahrheit" ist aber die Wahrheit!"

       

      Und warum sollte das die Wahrheit sein? Weil Sie es dafür halten?