Die Wahrheit: Bernd, das englische Brot
Weil die Engländer auch noch ein Leben außerhalb der EM haben, ist alles nicht so schlimm für sie. Denn die Engländer haben Sandwiches.
D a die Engländer aus der EU und frühzeitig auch aus der EM ausgeschieden sind, können sie sich den für sie wirklich wichtigen Themen widmen. Dem Sandwich-Problem zum Beispiel. Welcher Engländer kennt es nicht, welcher Engländerin ist es nicht schon unzählige Male passiert, dass man in ein prall gefülltes Sandwich beißt und sich die Füllung auf das Hemd oder das Tweed-Kostüm ergießt?
Sandwiches sind so englisch wie der Fünfuhrtee, wie Pfefferminzsauce, Roastbeef und Niederlagen im Elfmeterschießen. Keine Feier, bei der nicht Sandwiches gereicht werden. Selbst bei Hochzeiten oder Beerdigungen werden spät am Abend, wenn das Festmahl verdaut ist, Türme von Sandwiches serviert. Meist sind es harmlose Exemplare, mit Butter und Senf bestrichen und mit Schinken oder Käse belegt. Der Klassiker ist BLT, Bacon, Lettuce und Tomato, mit fetter Mayonnaise.
Was aber ist ein Sandwich überhaupt? Gehört ein Hamburger dazu? Natürlich nicht. Zwar ist das Brötchen beim Doppelwhopperwürger genauso pappig wie das Weißbrot, aber es ist nicht flach, wenn man sich nicht draufsetzt. Und ein gerolltes Sandwich – ein „Wrap“, wie es genannt wird – ist eine alberne ausländische Imitation, die an das Original nicht heranreicht.
In englischen Spezialläden oder in manchen Supermarktabteilungen hat man die Sandwich-Kultur zum Äußersten getrieben. Es gibt die Papptaschen gefüllt mit Pute, Kohl, Kartoffelscheiben und Sauce – ein ganzes Weihnachtsmahl zwischen zwei Weißbrotscheiben. Wer es lieber indisch mag, kann auf ein Chicken-Tikka-Massala-Sandwich zurückgreifen. Oder auf eine Thunfischfüllung, die es aber immer nur mit Mais gibt. Wer hat eigentlich entschieden, dass es Thunfisch niemals ohne Mais geben darf?
Ein Gary Ehasoo hat ein ganz spezielles Sandwich-Messer erfunden. Es hat zwei parallele Klingen, wobei die linke etwas breiter ist als die rechte. Schneidet man ein Weißbrot, denn anderes Brot gibt es fast nicht in England, so ist die linke Scheibe vom Brotlaib getrennt, aber sie hängt noch an der unteren Kante mit der rechten Scheibe zusammen. „Wenn die untere Kante intakt ist, versiegeln die Hände die beiden Öffnungen an der Seite“, meint Ehasoo, „so dass nur noch eine Seite offen ist, von der man isst.“
Doch Engländer essen hauptsächlich Toastbrot. Das ist die vorgeschnittene Variante eines Weißbrots, die man nicht fallen lassen darf, weil das gummiartige Gebäck sonst davonspringt und nicht mehr einzufangen ist. Man könnte die Toastscheiben natürlich mit japanischem Klebreis an einer Seite versiegeln und hätte dann denselben Effekt. Oder man nimmt ein normales Messer und trennt die erste Scheibe nicht ganz vom Laib. Oder man wendet sich vernünftigen Ernährungskriterien zu, verlässt England und wandert in schönere Gegenden aus – also irgendwohin, wo weder England noch Sandwiches sind.
Jeder Engländer verspeist im Jahr 754 Sandwiches. Kein Wunder, dass die englischen Kicker in Frankreich wie Bernd das Brot über den Platz gestolpert sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“