Die Wahrheit: Sauber singende Forelle
Bevor man sich am Flughafen in die Hände des Sicherheitspersonals begibt, sollte man sein Gepäck auf verdächtige Fische überprüfen.
W er eine Flugreise macht, sollte sich genau überlegen, was er ins Handgepäck tut. Ich spreche aus Erfahrung. Vorigen Donnerstag wollte ich vom Berliner Flughafen Tegel zurück nach Dublin fliegen. Bis zur Sicherheitskontrolle ging alles gut. Ich leerte meine Taschen aus und legte mein Handgepäck auf das Rollband. Beim Durchleuchten machte sich beim Sicherheitspersonal Unruhe breit. Ein Beamter fragte mich, was das für ein elektronisches Gerät mit ungewöhnlicher Form sei. Ein Fisch, flüsterte ich. Er rief: „Ein Fisch? Den will ich sehen!“
Ob er das Tier abseits von anderen Passagieren begutachten könne, fragte ich, die Sache sei mir peinlich. Ich hatte nämlich den Keller meiner Mutter aufgeräumt und dabei diese gummiartige Regenbogenforelle gefunden, die auf ein braunes Plastikbrett montiert war. Ich hatte sie vor mindestens 20 Jahren auf dem Flohmarkt gekauft, aber längst den gnädigen Mantel des Vergessens darüber gebreitet.
Der Fisch hatte ein Batteriefach und einen Bewegungsmelder. Leider hatte ich ihn mit frischen Batterien versorgt, weil ich wissen wollte, ob er nach all den Jahren noch funktionierte. Leider tat er das. Wenn jemand, wie jetzt der Sicherheitsbeamte, ins Blickfeld der Forelle geriet, bogen sich Kopf und Schwanzflosse nach vorne, und sie sang mit weit aufgerissenem Maul „Take Me To the River“. Der Beamte ließ das Tier vor Schreck fast fallen, als es nach ihm schnappte.
Es war grauenvoll, zumal das gesamte Personal und die Passagiere fasziniert die singende Forelle und mich anstarrten. Der Sicherheitsbeamte führte mich daraufhin in ein kleines Zimmer und nahm von der Forelle und von meiner Jacke einen Abstrich, der in einer Art Staubsauger auf Sprengstoffrückstände untersucht wurde. Der Fisch und ich waren sauber.
Endlich stand ich mit rotem Kopf am Flugsteig, als ich eine Textnachricht von der Fluggesellschaft erhielt: Mein Flug war gestrichen. Ich solle es am nächsten Tag noch mal versuchen. So stand ich am Freitag erneut an der Sicherheitskontrolle und fragte den Beamten, ob zufällig einer seiner Kollegen bereits am Vortag Dienst hatte. Ich hatte gehofft, diesmal ohne großes Aufsehen durch die Kontrolle zu kommen, aber es hatte offenbar einen Schichtwechsel gegeben.
Ich erklärte dem Beamten, dass ich eine singende Forelle dabei hätte. Na so was, meinte er überrascht. Bereits gestern sei ein komischer Vogel mit einem singenden Fisch hier gewesen, sagte er, die Kollegen hatten davon berichtet. Und jetzt noch einer?
Es handle sich um denselben Fisch, sagte ich. Und um denselben komischen Vogel, fügte ich hinzu. Das interessiere ihn brennend, und seine Kollegen sicher auch, meinte er. Da stand ich nun abermals mit der Forelle, die aus vollem Hals „Take Me To The River“ sang. Diesmal applaudierte das Sicherheitspersonal, und der Beamte fragte höhnisch, ob ich mit dem Fisch täglich eine Flugreise unternehme. Bevor ich das Tier wieder verpackte, nahm ich die Batterien heraus und warf sie in den Müll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe