Die Wahrheit: Hand an, Hand ab
Der Streit um den Handschlag an Schulen hat Deutschland erreicht. Der Freistaat Sachsen reagiert mit einem umstrittenen „Muslim-Erlass“.
Chantall F. (Name von der Redaktion geändert) ist entsetzt, als sie von der Neuigkeit erfährt. Jacquelin M. schlägt die Hände vors Gesicht. „Das ist das Ende unserer Freiheit“, schluchzt sie.
Was ist passiert? Die sächsische Schulverwaltung hat entschieden, dass es Schülerinnen und Schülern an sächsischen Schulen künftig verboten ist, ihren Lehrern den Handschlag zur Begrüßung zu verweigern. Das Amt orientiert sich bei seinem sogenannten „Muslim-Erlass“ an einem Beschluss der Schulbehörde des Schweizer Kantons Basel-Landschaft. Dort hatten sich muslimische Jugendliche geweigert, ihrer Lehrerin die Hand zu geben. Dies ist nun vorbei – in der Schweiz, in Sachsen, womöglich bald in ganz Deutschland! Der Handschlag zwischen Lehrern und Schülern wird Pflicht!
„Richtig so“, findet das Günter Acker von der AfD. „Muslime dürfen unsere deutschen Frauen nicht einfach so antatschen, nur weil die in ihrer Religion weit unter ihnen stehen. Es geht hier um Respekt. Ein Wort, das die Türken ja ständig im Munde führen.“ Ja, aber was ist mit der neuen Regelung, das Händeschütteln nun ein Muss ist? „Muslime dürfen unseren deutschen Frauen nicht einfach so den Handschlag verweigern, nur weil sie in ihrer Religion weit unter ihnen stehen. Es geht hier um Respekt. Ein Wort, das die Türken ja ständig im Munde führen.“
Kopfnicken genügt nicht
Lehrkräfte in Sachsen werden also künftig von ihren Schülern wieder mit mehr Respekt behandelt. Ein einfaches Kopfnicken, ein „Guten Morgen, Frau Müller“ oder ein schlichtes „Hallo“ reichen in Zukunft nicht mehr.
Chantall F. und Jacquelin M. sind immer noch entsetzt. Sie haben Hofaufsicht am Julius-Fischer-Gymnasium in Leipzig, können allerdings gerade nicht auf die Schüler achten, die auf dem Schulhof herumlaufen, kreischen, sich gegenseitig schubsen, rauchen oder in der hinteren Ecke ihre ersten sexuellen Erfahrungen machen. Denn die beiden Lehrerinnen haben nur Augen für das Smartphone von Chantall F. Sie suchen nach einem Ausweg.
„Das ist doch ekelhaft“, sagt Chantall F. (Biologie und Mathe) „Jetzt müssen wir diesen Blagen jeden Tag die Hand geben. Wissen Sie, wie klebrig die sind, vor allem im Sommer? Ich will nicht wissen, wo die vor der Schule mit ihren Fingern waren. So viele Desinfektionstücher kann ich gar nicht einstecken.“
„Genau!“, unterbricht sie ihre Kollegin Jacquelin M. (Erdkunde und Geschichte), „dafür bin ich 89 nicht auf die Straße gegangen, um jetzt jeden Tag den Ausländern die Hand zu schütteln. Und jetzt kommen auch noch die ganzen Flüchtis. Die grüßen sich im Islam ja auch nicht so. Das ist doch voll ungerecht!“ Die beiden Lehrerinnen wollen gegen die Bevormundung durch die Schulverwaltung Klage einreichen und suchen online nach einem Anwalt.
Ein kleiner schwarzhaariger Zwölfjähriger mit angeklebtem Schnauzbart kommt angerannt und streckt den beiden seine Hand entgegen. „Guten Morschn, Frau Finke. Guten Morschn, Frau Müller. Isch schwöre guten Daach“, sächselt und kanakelt er in einem. Chantall F. rollt mit den Augen, dann gibt sie ihm die Hand, die sie sogleich an ihrem Rock abwischt. Jacquelin M. seufzt: „Guten Morgen, Dennis, komm, geh wieder spielen.“ Lachend läuft der Junge davon.
„Dagegen sollte man mal vorgehen“, ruft Chantall F. sichtlich erbost. „Jetzt nutzen die … die … die Kinder auch noch die volle Härte unseres Rechtsstaats aus.“
Universelle Werte des Zusammenlebens
Torsten Kleiber findet die Entscheidung der Schulverwaltung gut. Er ist der Schulleiter des Julius-Fischer-Gymnasiums, Mitglied der Linken und kommt aus Westdeutschland. Vor allem aber ist er jung, mit 41 Jahren ist er der Benjamin im Lehrerkollegium. Er begrüßt seine Schüler morgens locker mit der Gettofaust oder einem Highfive. Den Mädchen streicht er freundlich über den Kopf. „Das mit dem Händeschütteln finde ich nicht so schlimm. Respekt und Freundlichkeit“, sagt er, „das sind ja universelle Werte des Zusammenlebens. Da sollte man das Händeschütteln eher symbolisch verstehen. Das hat doch mit der Religion nichts zu tun.“
Chantall F. und Jacquelin M. ist das egal. Chantall F. sucht noch immer einen Anwalt, „vielleicht frage ich mal einen Parteifreund von der AfD“. Jacquelin M. ist optimistischer. Gerade hat sie nach langer Recherche im Internet die Krankheit Mysophobie gefunden, die panische Angst vor Ansteckung.
„Jetzt such ich mir erst mal einen Arzt, der das diagnostiziert, und dann lass ich mich krankschreiben – bis zur Rente“, sagt die Pädagogin und wischt sich mit einem Desinfektionstuch die Hände ab. Ein grimmiges Lächeln huscht über ihr Gesicht.
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