Die Wahrheit: Geld vom Grabbeltisch
Der Europäischen Zentralbank und ihrem Chef Mario Draghi in Frankfurt sei Dank: Endlich gibt es billigen Zaster für alle und jeden.
Es ist einer der spannendsten Wirtschaftskrimis unserer Zeit, und sein Ende steht „in den Sternen“, wie die Experten sagen. Dabei geht es um Geld, um viel Geld. Geld nämlich, mit dem Mario Draghi und seine Spießgesellen von der Europäischen Zentralbank die Welt überschwemmen, ja: überfluten – und das zu sensationell günstigen Preisen, zum Beispiel unglaubliche 5, lächerliche 10, verrückte 20, abartige 50, wohlfeile 100 oder schon bald verbotene 500 Euro.
Tatsächlich unterscheidet sich das neue Billiggeld aus den Druckpressen der EU-Plutokraten von herkömmlichem Markengeld nur dadurch, dass es so gut wie nichts kostet, schlicht und funktional verpackt ist und gleich in Bündeln von der Palette runterverkauft wird. Kenner bemängeln zwar, dass es sich etwas holziger anfühlt und ein bisschen kratzt, wenn man sich damit den Popo abwischt.
Das tun derzeit jedoch erst wenige Deutsche, so etwa Dipl.-Geldfälscher Josef Holtbeek, der vor dem Ramschgeld aus Frankfurt kapituliert und sich gerade arbeitslos gemeldet hat: „Zu dem Preis kann ich’s echt nicht selber machen. Lassen Sie mich bitte auf die Toilette.“
Unverhoffter Finanzsegen
Gerade in den wirtschaftlich benachteiligten Schichten des Landes aber ist die Freude über den unverhofften Finanzsegen riesig. Viele sagen: „Früher konnte ich mir kein Geld leisten, aber wo es einem jetzt nachgeworfen wird, habe ich mir auch mal welches geholt – ich war überrascht, was man damit alles kaufen kann.“
Manche Unterschichtler sprechen schon von einem „gesteigerten Selbstbewusstsein“ und „superguten Gefühl“, das ihnen die Discount-Knete vom Grabbeltisch vermittelt, „außer in der Arschtasche, wo das Portemonnaie drückt und den Stoff aufträgt“. Und selbst die Stiftung Warentest lobt das Billiggeld überschwänglich („Testsieger“) und beurteilt es in einigen Punkten (Frische, Preis, Preis-Leistungs-Verhältnis) besser als manch teures Markenprodukt aus den exklusiven Privatbanken der Republik.
Was die Bettel- und Bitterarmen in ihrem Konsumfuror allerdings gern vergessen: Nicht jedem schmeckt der großzügig mit der Gießkanne verteilte monetäre Sturzbach so gut wie ihnen. Ungefähr die Hälfte der Deutschen hat mächtig Kies auf der hohen Kante, der zu den ungünstigen alten Konditionen erstanden und sich teilweise vom mit Goldzähnen ausgekleideten Mund abgespart wurde. Sie müssen ohnmächtig mit ansehen, wie Knethi und Plethi mit Scheinen um sich werfen, für die man früher ein gut gehendes Autohaus einen halben Monat lang hätte leiten müssen.
Widerwillig hauen die Inhaber der vielen Millionen Tages- und Festgeldkonten deshalb ihre Asche für überteuerte Unterhaltungselektronik, unausgereifte Pedelecs und Helene-Fischer-Konzertkarten der höchsten Preiskategorie raus. Haushalten bringt in der momentanen Geldflut nichts mehr. Sparen tun die Deutschen schichtenübergreifend nur noch, wie man es von ihnen kennt, an Freundlichkeit, Eleganz und guten Worten – nicht jedoch am lieben Geld.
Das bekommt auch die Bankenbranche zu spüren: Die kommunalen Sparkassen überlegen bereits, sich in Abheb- oder Abholkassen umzubenennen, bei den privaten Instituten sieht es nicht viel besser aus. Filialschließungen, Massenentlassungen und zufriedene Aktionäre sind hier inzwischen an der Tagesordnung.
Erschreckende Flut billigen Geldes
Normalkonservative Wirtschaftswissenschaftler wie Prof. Edmund Ruf von der Uni Würzburg warnen daher vor dem bösen Ende, das unweigerlich kommen müsse, wenn die Flut billigen Geldes nicht sofort gestoppt werde. Der Gelehrte hat dazu eigens ein erschreckendes Zukunftsszenario entwickelt: „Stell dir vor, das Geld liegt auf der Straße. Du brauchst es bloß aufzuheben. Doch 95 Prozent der Menschen latschen lieber barfuß durch Bares, als sich vor Gott Mammon zu bücken. Wir Ökonomen kennen dieses Phänomen unter dem Namen ‚armes reiches Deutschland‘.“
Die Zukunft des Standorts malt der Professor in düstersten Farben: „Wenn niemand mehr investiert und keiner mehr arbeitet, kommt das Wirtschaftsleben auf der Stelle zum Erliegen. Die Folgen: Viele Werbeagenturen gehen pleite, wirtschaftswissenschaftliche Fakultäten werden geschlossen. Dann Hungersnöte, Seuchen, Insektenschwärme, Armageddon.“
Es gibt freilich auch Forscher, die im bevorstehenden Kollaps der deutschen Volkswirtschaft eine große Chance sehen. Es sind krasse Außenseiter von der Uni Bremen wie Privatdozent Dr. Holger Werg. Der Jungwissenschaftler plädiert für einen sofortigen Ausstieg aus der Geldwirtschaft und einen möglichst schnellen Einstieg in die Subsistenz- oder Schankwirtschaft. Bis dahin rät er, sich mit möglichst viel Geld zu bevorraten und einfach abzuwarten: „Wenn überhaupt nichts mehr investiert und produziert wird, ist eben alles fertig. Oder sowieso dem Untergang geweiht. Was brauchen wir da noch Geld? Das wäre doch glatt zum Fenster hinausgeschmissen.“
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