Die Wahrheit: Notare am Arsch
Roboter ersetzen die altehrwürdigen Juristen. Denn die können ebenso gut Dokumente abstempeln und unterschreiben – und schneller.
Immer mehr Arbeitskräfte werden durch Roboter und andere Technologien ausgetauscht. Alarmierende neueste Studien sagen: in den nächsten 20 Jahren bis zu 50 Prozent! Milliarden Arbeitskräfte verlieren ihre Jobs. Millionen Deutsche landen auf der Straße. Ausrangiert, fallen gelassen, überflüssig. Vor allem die einfachen Jobs werden ersetzt, liest man allerorten. Die stumpfen, ausführenden, monotonen, ja vollkommen stupiden.
„Ja, schöne Scheiße, sach ich da!“, seufzt Dr. Jost Formann, Präsident der Bundesnotarkammer, in seinem sonnendurchfluteten Büro in Berlin-Mitte. Er faltet nervös die sehnigen Pranken, dass die vier goldenen Siegelringe an seinen Fingern blitzen. „Wir sehen der Zukunft realistisch ins Auge. Wir machen uns wenig Illusionen. War schön, war geil und gab gut Geld. Aber – so what! – die fetten Jahre sind vorbei! Für die Zukunft unserer Branche seh ich siegelrot.“
Unter Schriftstücke eine Unterschrift kritzeln, irgendwas versiegeln, abstempeln, beglaubigen, Testamente und Geld in Tresore legen und ein paar Jahre später wieder herausholen – „Hey Leute, das kann jeder!“ dröhnt Formann. „Erst dachte ich, flinke, niedriglöhnende Asiaten würden uns das Wasser abgraben, osteuropäische 1-Euro-Jobber oder Gnubbelmännchen aus 3-D-Druckern. Aber dass es am Ende doch Maschinen sind, hätt ich nicht mehr gedacht. Tja, sollen sie doch kommen!“, ruft er, nur um Sekunden später wieder vertraulich die Stimme zu senken: „Bei manchen Kollegen hab ich das ja eh schon vermutet, dass sie ein bisschen android sind. Wissen Sie, manche Amtsbrüder auf der Jahrestagung, die haben so was Irres im Blick, so was Humanoides …“
Bis zu 20.000 Testamente pro Minute
Seit Anfang 2016 setzt die Landesregierung von Schleswig-Holstein die ersten 150 maschinellen Notare in einem Modellversuch ein: Kleine Roboter mit schlammfarbenen Krawatten und schlechter Laune, die den ganzen Tag Urkunden beglaubigen, mit Siegellack herumklecksen, bis zu 20.000 Testamente pro Minute abstempeln und die Honorare in den Keller drücken. Eine echte Herausforderung – und doch, Jost Formann gibt sich entschlossen: „Wir lassen unsere eigenen Leute nicht im Regen stehen! 7.000 Notare aus Fleisch und Blut dürfen nicht einfach auf die Straße!“
Wie ein Fallbeil lässt der Präsident einen monströsen Riesenstempel auf den Schreibtisch niedersausen. „Unsere eigenen Testamente sind noch lange nicht gestempelt!“
Seit einem Jahr bietet die Notarkammer Umschulungsprogramme an: von Gabelstapler fahren über Tekkno-DJ bis zur Hebamme ist alles drin. Einige Notare haben sich bereits erfolgreich neuorientiert. Zum Beispiel Dr. Horst Gützel aus Lübeck. Seine Stempelkurse in der Kinder-Kreativwerkstatt „Tintenklecks“ sind der Hit: lustige Giraffen-, Mauswurfs- und Schmetterlingsstempel werden in farbenfrohe Stempelkissen gedrückt und ab damit aufs Papier. Auch einen Kurs für Senioren hat er seit Kurzem im Angebot: Beim „Stempel-Glück“ kann man sein eigenes Testament mit farbenfrohen Kreuzen und Totenköpfen verzieren.
Bald werden sie nutzlos herumstrolchen
Eine Kieler Kollegin wiederum zeigt ehrenamtlich Flüchtlingen aus Nahost, wie man in arabischen Buchstaben Asylanträge unterschreibt. Und ein Exnotar aus Husum hat im Atommüll-Business eine neue Anstellung gefunden: „Ob ich Schriftstücke versiegle oder radioaktiven Müll, ist mir eigentlich schnurz!“, erklärt der junge Deutschdäne pragmatisch.
Andere Arbeitskameraden zeigen sich jedoch weniger eigeninitiativ. „Tja, es sind nicht unbedingt die progressivsten Leutchen in diesem Feld – deshalb sind sie ja Notare geworden“, sorgt sich Jost Formann um die Zukunft vieler Amtsbrüder und -schwestern: „Bald werden sie nutzlos herumstrolchen, in Rudeln ehrbare Bürger anfallen, Frauen antanzen, Hütchen spielen, marodieren und noch mehr saufen als jetzt!“
Dampfende Farbe auf verschiedenste Körperteile
Nur um seine eigene Zukunft macht sich Jost Formann keine Sorgen. Denn bald kann er sich endlich auf das verlegen, wovon er seit Jahren träumt: ein Leben als Künstler. „Gucken Sie mal!“ Der 47-Jährige reißt sich den Anzug vom Leib, dass nur noch die stützstrumpfbeige Krawatte um seinen sehnigen, bleichen Hals baumelt, zückt einen Block blutroten Lack, rammt einen Siegelstempel hinein und drückt die dampfende Farbe auf verschiedenste Körperteile.
„Geile Idee, was? Bisschen heiß, und das gibt später eine Sauerei im Badezimmer beim Abschrubben, aber das wird der Renner!“
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