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Die WahrheitImmer diese Wissenslücken

Kolumne
von Andreas Milk

Es gibt da einige Unzulänglichkeiten, die einen das Leben lang begleiten. Und ausgerechnet der Telekom-Mitarbeiter muss einen mal wieder darauf stoßen.

V on der Außenwelt abgeschnitten zu sein, halte ich im Prinzip für einen erstrebenswerten Zustand. Was ich allerdings an der Kundenhotline der Deutschen Telekom erfuhr, hat mich dann aber doch überrascht und ein wenig nachdenklich gestimmt. Ich hatte dort über mein Handy angerufen, um eine Störung meines Festnetzanschlusses zu melden. Der Telekom-Mitarbeiter teilte mir mit, ja ja, da gebe es eine kaputte Leitung in unserem Viertel, Baustelle zwei Straßen weiter, zack, ein Bagger, schon andere Kunden hätten angerufen, man kümmere sich bereits darum, blablabla ...

Aber, so der Telekom-Mann weiter, er wundere sich doch ein bisschen, dass ich mich erst jetzt bemerkbar mache. Denn der Schaden bestehe schon seit drei Tagen. Bäähm! Ich war entlarvt als Soziopath, der ewig lang nicht mitkriegt, dass er gar kein Telefon zur Verfügung hat. Bitter. Wenigstens war der Anruf bei der Telekom gebührenfrei. Es soll Leute geben, die zahlen viel Geld dafür, vom Dienstpersonal gedemütigt zu werden.

Immerhin merkte ich diese Woche auch, dass ich in unserem Städtchen nicht der Einzige bin, an dem einiges vorbeigeht. Bei meinem Stammdiscounter beäugte mich eine Dame um die achtzig, während ich meine Einkäufe verstaute. Die Alte guckte und guckte und fragte endlich: „Herr Milk?“ Glückwunsch. Ich nickte. Wir würden uns doch aus der Kämerstraße kennen, sagte die Alte. Von ganz, ganz früher! Ob es denn meinen Eltern gut gehe?

Für genau diese Situation hatte ich mir irgendwann einmal den Satz „Och, denen geht’s eigentlich unverändert!“ zurechtgelegt. Aber ich wollte denn doch halbwegs anständig antworten und erklärte wahrheitsgemäß, Mutter und Vater seien seit Jahren tot. „Ach“, sagte die Alte. Und für dieses „Ach“ taufte ich sie auf den Namen Frau Hoppenstedt. Denn wer sie tatsächlich war – ich habe nicht die geringste Ahnung.

Die folgenreichste Wissenslücke meines Lebens liegt allerdings weit länger zurück. 1985, Abiturprüfung am städtischen Gymnasium. Mathematik als viertes, das heißt mündliches Prüfungsfach. Ich hatte eine Aufgabe der Differenzialrechnung zu lösen. Dazu hätte es eine bestimmte Formel gebraucht, die mir aber nicht einfiel. Meine Mathelehrerin gab sie schließlich auf mein kleinlautes Nachfragen hin mit enttäuschter Miene preis, sodass ich die Aufgabe lösen konnte, mir die Note aber versaut hatte. Resultat: ein Abischnitt von 3,1.

Zumindest war damit meine berufliche Laufbahn schon früh vorgezeichnet. Numerus-clausus-untaugliches Zeugnis, dazu im entscheidenden Moment keinen Plan: also Journalist werden.

Einer meiner ersten Einsätze fürs Lokalblatt sollte mich ins Bürgerhaus führen. Ich radelte los. Unterwegs hielt ein Kollege mit dem Auto neben mir: Wo ich denn hinwolle? Bürgerhaus, hm, so, so. Da erfuhr ich, dass ich zwar Kurs auf das Bürgerhaus genommen hatte, aber auf das im falschen Stadtteil. Schon erwartete ich den Rauswurf, doch er kam nicht. Lag womöglich an meinem stummen Telefon.

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