Die Wahrheit: Im Fell eines Faultieres
Wo findet Matthias Matussek bloß sein neues Zuhause? Jetzt, da der Krawallkatholik selbst dem Springer-Verlag zu ultra geworden ist.
V orgestern sagte jemand zu mir: „Ich kannte einen Sittich, der wohnte im Dutt seiner Besitzerin.“ Ich erstarrte ob der Schönheit dieses Satzes. Die Satzproduzentin hob die Hand zum Schwur: „Das ist die reine Wahrheit!“ Sie setzte an, um den Sachverhalt näher zu beschreiben, aber ich ruderte aufgeregt mit den Armen und verbat mir jede weitere realitätsbeglaubigende Erklärung. Weil ich wusste, das sie die Poesie des Bildes gnadenlos zerstören würde. Ich ging augenblicklich nach Hause, setzte mich in einen Sessel und meditierte – mit dem Duttsittich als einer Art optisches Mantra vor meinem geistigen Auge.
Klar war, dieser Satz würde meine bisherige Lieblingsformulierung in Bezug auf exzentrische tierische Wohnverhältnisse ablösen. Ich las sie vor Jahren bei einer Recherche über Faultiere. Sie lautete: „Im Fell des Faultieres finden Käfer, Raupen und kleinere Schmetterlingsarten ein Zuhause.“ Jedes Mal, wenn ich seitdem im Zoo ein Faultier sah, dachte ich: Na, ob da vielleicht gerade ein Zimmer frei ist?
Bis heute bin ich übrigens froh, dass der Kopf meiner Tochter offensichtlich als Zuhause nichts taugt. Während das Haupthaar vergleichbarer Nachwüchse quasi im Zweiwochenrhythmus von Läusen besiedelt wurde, blieb der Kopf meiner Tochter während ihrer kompletten Kindheit lausfrei. Inzwischen ist sie sechzehn und gilt sowohl unter Ärzten wie im Kindergarten- und Schulmilieu als Naturwunder. Vermutlich wird sie nie arbeiten müssen, sondern sich lukrativ als Forschungsobjekt verdingen können.
Apropos „Zuhause“: Wo kommt eigentlich einer wie Matthias Matussek jetzt noch unter? Jemand, der sogar für Springer zu rechts und zu krawallig ist? Wobei man ja fast Mitleid mit ihm hat. Wenn man nicht gerade lachen muss.
Vor Kurzem fühlte sich der stellvertretende Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt noch in seiner Menschenwürde verletzt, weil ein Autor hier auf dieser Seite – der Autor war ich, aber das tut nichts zur Sache – fragte, ob Pop-Ulf eventuell medikamentös neu eingestellt werden müsse. Wegen akuter Sozialismus-Paranoia. Poschardt twitterte, Andersdenkende als geisteskrank darzustellen, sei „1a Nazisound“. Jetzt aber bezeichnet sein direkter Vorgesetzter, Jan-Eric Peters, Matusseks Posts zum Terroranschlag in Paris öffentlich als „durchgeknallt“, wird dabei von Poschardt unterstützt, um das Ganze dann eskalieren und mit einem Rausschmiss enden zu lassen.
Selbstverständlich haben die Springer-Häuptlinge recht, und dennoch muss man fragen, ob so verantwortungsbewusste Mitarbeiterführung aussieht? Matussek erst wegen seines latenten Wahnsinns zu engagieren, ihn monatelang homophob, populistisch und ultrakatholisch herumkrakelen zu lassen und ihn dann – wenn das sich bestätigt fühlende Kleinkind immer hemmungsloser wird – in die Wüste zu schicken. Oder in die Junge Freiheit. Man darf tatsächlich gespannt sein, wo und wie Matussek wieder auftaucht. Ich hoffe, mit einem Sittich im Dutt.
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