Die Wahrheit: Das Hackfleisch der Weltmeister

Neues aus Neuseeland: Nach dem Gewinn der Rugby-WM feiert ganz Aotearoa den Titel und rätselt über Botschaften des Team-Captains.

Als die All Blacks vorigen Samstag Geschichte schrieben und den Rugby-World-Cup 34:17 gegen Australien gewannen, lag ich im Tiefschlaf. Schande über mich! Aber bei uns war es bereits – oder erst – fünf Uhr morgens am Sonntag, was nur als Ausrede zählt, wenn man kein Fan ist und außerdem am Abend vorher auf einer ausufernden Verkleidungsparty war. Was ja ein mindestens so patriotischer Beitrag zur Kiwi-Kultur ist wie das Werfen eines eiförmigen Balls und der Haka.

Zumal meine Verkleidung in der Nacht noch zu einigen körperlich strapaziösen Komplikationen geführt hatte. Denn es war Halloween und 15 von uns zogen als „Gloriavale“ betend und Hymnen schmetternd auf der Feier ein. Ja, das war furchtbar gruselig, denn Gloriavale ist eine erzchristliche Sekte tief in der Wildnis der Westküste. Da hat ein Greis das Sagen über seine Herde, der sich „Hopeful Christian“ nennt und wegen sexuellen Missbrauchs innerhalb seiner ausufernden Familie vorbestraft ist. Gloriavale-Namen sind immer Tugenden. Wir nannten uns „Joyful Incontinence“, „Graceful F. Uck“, „Faithful Threesome“. And so on.

Die Frauen in Gloriavale tragen alle lange blaue Kleider und weiße Hauben und üben sich im Dienen. Die jungen Mädchen sind nicht viel mehr als Koch-, Putz- und Gebärmaschinen. Ich trug einen Korb am Arm, dessen Inhalt der Züchtigung des Nachwuchses dient: Bibel, Ledergürtel, Holzlöffel. Unterm Herzen und weiten blauen Gewand trug ich die Frucht Gottes – zum elften Mal, denn die Gnade des Herrn ist groß. Doch dann verlor ich mein Kind in einer Sturzgeburt mitten auf der Tanzfläche zu den Klängen von „We are family“. Der kleine Heide wurde später mit den vergessenen Zombie-Perücken und leeren Sektflaschen entsorgt. Da waren wir bereits Weltmeister und schon wieder im Rausch.

Ein bisschen habe ich dann doch noch mitbekommen. Das Bordpersonal von Qantas hatte seine Wette mit Air New Zea-land verloren und musste zur Schmach am Montagmorgen auf seinen Flügen Trikots der All Blacks tragen. Und dann war da noch die große Frage, was Dan Carter – unser Rugby-Held der Stunde, der den Sieg gegen die Wallabies holte – in seinem Interview nach dem Spiel gemeint hatte, als er sich mit den Worten „Mince on Toast!“ verabschiedete. Hackfleisch auf Toastbrot? Ein Sinnbild oder ein Geheimcode? Der Nachrichtensender TV3 schickte verzweifelte Twitter-Anfragen: Wer kann helfen?

Rugby World Cup

Für diese winzige Pokälchen die ganze Arbeit? Die Spieler Neuseelands, frischgebackene Titelverteidiger, begutachten ihren Preis. Sie sind der verdiente Sieger der 8. Rugby-Weltmeisterschaft, die im September und Oktober sechs Wochen lang in England stattfand. Foto: dpa

Für Finalgegner Australien sah es schon kurz nach der Halbzeit finster aus. Die Wallabies, die Neuseeland im Sommer noch eine seiner seltenen Niederlagen beigebracht hatten, lagen 3:21 zurück. Doch dann starteten sie eine Aufholjagd … Foto: reuters

… so dass Dan Parker, die neuseeländischen Rugbyikone, das Finale entscheiden musste. Zehn Minuten vor Ende die Vorentscheidung gelang ihm ein seltener Dropkick, dazu erzielte er weitere Punkte durch Straftritte und Erhöhungen, wie hier im Bild. Am Ende gewann Neuseeland sogar 34:17. Foto: dpa

Da konnten Australiens geschlagene Helden, wie hier David Pocock, nur applaudieren. Foto: ap

20 Teams waren angetreten, um sich nach Herzenslust miteinander zu kabbeln. Hier üben sich Spieler aus Italien und Rumänien im Menschen-Mikado. Foto: reuters

Rugby kann aber auch filigran sein. Solch elegante Hebefiguren wie im Halbfinale zwischen Argentinien und Australien würden jedem Tanzensemble gut zu Gesicht stehen. Foto: reuters

Rugby lebt von seinen Rivalitäten. Manchmal ziehen die sich mitten durch Familien, auch durch königliche. Prinz Williams Herz schlägt für das walisische Nationalteam – klar, schließlich ist er der zukünftige „Prince of Wales“. Sein Bruder und England-Anhänger Harry scheint damit nicht ganz einverstanden. Gewinner war am Ende mal wieder William. Foto: reuters

Auch andere Mitglieder der Royal Family waren ins Geschehen involviert. Queen Elizabeth II. empfing eine Delegation aus Uruguay, Tonga, Samoa und Neuseeland. Die Geehrten kamen wahrscheinlich gerade vom Duschen. Foto: reuters

Sport lebt auch immer von den kreativen Ideen seiner Anhänger, Rugby macht da keine Ausnahme. Der Herr links im Bild mag allerdings gar nicht recht hinsehen. Italien schied bereits in der Vorrunde aus. Foto: dpa

Etwas verhoppelt hatte sich dieser Anhänger. Ein Sicherheitsmann fängt das verirrte Känguruh wieder ein. Das hätten ja auch die Spieler erledigen können! Foto: reuters

Wesentlich eleganter wirkt da die Flugeinlage des Argentiniers Juan Imhoff. Sein Team segelte bis ins Halbfinale. Foto: ap

Dort schied es gegen Australien aus. Tomas Lavanini zeigte im Anschluss, dass auch 130-Kilo-Berge echte Gefühle zeigen können. Foto: reuters

Einige Schrammen auf dem Weg ins Finale hat sich der Australier Scott Fardy abgeholt. Der Dame im Hintergrund scheint es egal zu sein. Foto: reuters

Im anderen Halbfinale setzten sich die stets in schwarz gekleideten Titelverteidiger aus Neuseeland in einem packenden Duell gegen Südafrika durch. Foto: dpa

Vor dem Spiel gab es – wie immer, wenn die All Blacks antreten – den Haka zu sehen. Das an den Kriegstanz der Maori angelehnte Ritual soll die Gegner einschüchtern und das eigene Team motivieren. Foto: dpa

Allerdings sind die Neuseeländer nicht die einzigen mit einem solchen Tanz. Auch Tonga hat einen, bei ihnen heißt er Sipi Tau. An der Synchronität kann das Team bis zur nächsten WM 2019 in Japan aber noch feilen. Foto: reuters

Die Österreicherin Sea Rotmann aus Wellington lüftete schließlich das Geheimnis. Sie war zufällig in der Abflug-Lounge in Los Angeles, wo die Rugby-Mannschaft umsteigen musste. Die Meeresbiologin nahm sich ein Herz, preschte auf Carter zu und fragte ihn: „Mince on Toast“ – what the fuck …?

Carter bestätigte, was manche bereits vermutet hatten: Es handelt sich nicht ums Kraftfutter nach dem Match, sondern um den Namen seiner What’s-App-Gruppe. Neuseeland ist um eine Erkenntnis reicher. Aber als Verkleidung inspiriert mich das noch nicht. Also zurück ins Bett und Nachwehen auskurieren!