Die Wahrheit: Strippen für den Fleischpreis
Neues aus Neuseeland: Christen beschweren sich über Möpse von Stripperinnen, die bei „Tits for Tickets“ für einen guten Zweck wackeln.
W ährend Sie das hier beim Frühstück lesen, stehe ich gerade mit Schürze und Schöpfkelle am Waffelstand der Schule meiner Kinder und backe im Akkord, damit die armen Kleinen sich den nächsten Ausflug leisten können. „Fundraising“ nennt sich das und ist nicht nur die eigentliche Berufsbezeichnung jeder Waldorf-Mutti, sondern des Kiwis liebster Nationalsport nach Rugby. Und um Sport, ums Spendensammeln und um Kinder geht es in der Nachricht der Woche. Ach ja, und um nackte Titten (sorry, Waldorf-Muttis! Aber es kommen auch Fische und ein indischer Ashram darin vor).
Eine der effektivsten Erfindungen zum Geldeintreiben ist das Los, „raffle ticket“ genannt. Hunderte von Menschen zahlen, nur einer gewinnt – meistens einen opulenten Fress-Korb. An der oben erwähnten Waldorfschule werden solche Lose während Theateraufführungen verhökert; woanders etwas anders. Seit zehn Jahren veranstalten ein paar Kneipen in und um Auckland einmal die Woche „Tits for Tickets“-Abende: Angeheuerte Stripperinnen bringen Lose an die Männer. Fundraising für den Lokalsport. Allein der Angler-Verein von Albany treibt mit „Tits for Tickets“ jedes Jahr rund 10.000 Dollar ein.
Zu gewinnen gibt es keinen vegetarisch bestückten Präsentkorb aus dem Bio-Laden, sondern – passend zum dargebotenen Nacktfleisch – eine Riesenpalette an rohem Grillgut. Die ist zwar abgepackt, aber muss den Abend ungekühlt im Kneipendunst überdauern. Klingt eher eklig, wie die ganze Aktion insgesamt, aber schien bisher niemanden beim Tresenbier zu stören, solange dabei die Busen wackeln und Bares fließt.
Jetzt hat sich doch jemand beschwert: Wie zu erwarten die ultrakonservative Christenlobby „Family First“, die immer zur Stelle ist, wenn es um den Verfall der Sitten und um alles Körperliche geht, das nicht vom Papst persönlich praktiziert wird. Deren Sorge: Dass unschuldige Kinder, die mit ihren Eltern zufällig in einer Gaststätte Fish ’n’ Chips mampfen, von einer halbnackten Losverkäuferin im Hintergrund seelisch-moralisch kontaminiert werden könnten. Oder wie es die Sprecherin von „Family First“ ausdrückt: Die Titten-Tickets führten zur „Sexualisierung des Familien-Abendessens“.
Was kommt als nächstes auf unsere Kleinen zu? Pornos auf dem Großbildschirm des Pubs zum Nachtisch? Müssen Kinder aus Sicherheitsgründen in Zukunft gar wieder zu Hause essen?
Die Agentur, die die Stripperinnen für 120 Dollar à zwei Stunden vermietet, heißt „Go Wild“ und preist auf ihrer Webseite „zauberhafte Models“ an, die „Spaß verstehen, Drinks servieren, sich oben ohne unter die Gäste mischen und jeder Party zu einem guten Start verhelfen“. Die Agentur-Besitzerin wollte sich zu dem Abendbrot-Skandal nicht äußern. Sie stünde für Berufliches gerade nicht zur Verfügung, denn sie meditiere in einem Ashram in Indien.
Nach all der öffentlichen Aufregung muss ich mir nun ernsthaft überlegen, wie ich heute meine Waldorf-Waffeln anbiete, denn die Konkurrenz schläft nicht: Oben ohne, unten ohne, ganz ohne? Dann aber bitte in Fellstiefeln. Bei uns ist nämlich gerade Winter. Und Fundraising ist ein hartes Geschäft.
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