Die Wahrheit: Der Unbekannte mit den flinken Fingern
Er hat einen Freund mit flinken Fingern. Und der sitzt im irischen Parlament ...
... Michael Healy-Ray, ein Politiker aus der südwestirischen Provinz, hatte vor ein paar Jahren an dem irischen Pendant von "Ich bin ein Star - holt mich hier raus" teilgenommen. Damals war er Bezirksverordneter.
Er wurde mit sieben anderen Halbprominenten im Dschungel von Connemara im Westen der Grünen Insel ausgesetzt und gewann die telefonische Abstimmung, weil jemand 3.636 Mal angerufen hatte - aus dem Parlament. Jeder Anruf kostete 60 Cent, insgesamt kam die Rechnung auf 2.639,24 Euro. Wer angerufen hatte, ließ sich nicht feststellen.
Der Verdacht fiel auf Michaels Vater Jackie Healy-Rae, der damals Abgeordneter war. "Ich konnte diese Anrufe gar nicht tätigen", behauptete er jedoch, "weil ich ständig zwischen meinem Büro und dem Sitzungssaal hin- und hergerannt bin, um an Abstimmungen teilzunehmen." Aber an welchen?
Der Junior hält den Vater für unschuldig: "Vater ist ein exzellenter Politiker, der gar keine Zeit hätte, um bei solch einer Show abzustimmen." Er hatte jedoch genügend Zeit, sämtliche Senatoren und Abgeordnete sowie jeden einzelnen Parlamentsangestellten um eine Stimme für seinen Sohn zu bitten.
Bei den Wahlen im Frühjahr kandidierte der 80-Jährige nicht mehr. So erbte sein Sohn den Abgeordnetensitz, doch das ist nicht weiter aufgefallen. Sie nennen ihn "Dolly", wie das geklonte Schaf, denn Michael Healy-Rae ist ein Klon seines Vaters: die gleiche Schiebermütze, die gleichen Gummistiefel, das gleiche unverständliche Kauderwelsch. Und er ist genauso korrupt wie der Alte. Der war als Parteiloser gewählt worden.
Weil die damalige Regierung keine Mehrheit im Parlament hatte, ließ er sich seine Stimme mit schönen neuen Straßen und Schulen für seinen Wahlkreis bezahlen. Und kurz nachdem er vorigen November zugesagt hatte, für den drastischen Sparhaushaltsplan zu stimmen, bekam seine Tochter Rosemary einen lukrativen Job in einer Regierungsbehörde.
Nun ist der Sohn an der Reihe. Er hat bereits Erfahrung mit dem Absahnen von Steuergeldern: Als er noch Bezirksverordneter war, ergatterte er einen Platz in einem Ausschuss, der in Dublin tagte. Jedes Mal, wenn Michael Healy-Rae zu einer Sitzung aus Kerry anreiste, kostete das die Steuerzahler 1.300 Euro.
So konnte er sich nun großzügig zeigen: Vorige Woche verkündete er, dass er die Kosten für die Dschungelcampanrufe von damals übernehmen werde. Ihm sei klar geworden, dass die Telefonrechnung das wichtigste Thema für Irland überschatte, nämlich die Wirtschaft. "Ich bin der einzige Mensch in Irland, der die Telefonrechnung anderer Leute bezahlt", sagte er. "Ich bin ein guter, ehrlicher, arbeitsamer Politiker."
Wäre das denn nicht eine gute Möglichkeit für das bankrotte Irland, von den Schulden herunterzukommen? Man lässt die Abgeordneten einfach durch eine telefonische Abstimmung wählen. Jeder darf so oft anrufen, wie er will - für 60 Cent pro Anruf. Wer dann am Ende im Parlament sitzt, ist ohnehin egal.
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