Die Wahrheit: Der homosexuelle Mann
… reist gern. Und erfüllt damit ansatzweise das saudumme Klischee, stinkreich zu sein mit einem allzeit offenen Portemonnaie. Die Reisehändler...
reist gern. Und erfüllt damit ansatzweise das saudumme Klischee, stinkreich zu sein mit einem allzeit offenen Portemonnaie. Die Reisehändler danken es ihren schwulen Konsumenten mit besonderer Fürsorge. Die unzähligen Homo-Stadtmagazine hängen im Anzeigengeschäft bedingungslos am Tropf der Tourismusindustrie. Und die gerade in Berlin zu Ende gegangene „Internationale Tourismus Börse“ ist die einzige Messe von Weltrang, die der besonderen Klientel Platz und Aufmerksamkeit einräumt.
Da versuchen sich europäische Klein- und Großstädte gegenseitig den Rang streitig zu machen, besonders „gay friendly“ zu sein. Wien steht gegen Bern gegen Kopenhagen gegen Antwerpen gegen Düsseldorf und so weiter. Es beteiligen sich jährlich mehr Städte und Regionen an diesem Wettstreit um schwule Kunden, die überall nur das Gleiche suchen. Deshalb muss man auch gar nicht so viel anbieten, ein bisschen Hochkultur als Alibi, als Dreingabe ein kleiner CSD, der Rest ist die übliche Partysause in Bars, Saunen und Darkrooms.
Darüber hinaus gibt es eigene Kreuzfahrten für die kontaktfreudigen Gays, eigene Skigebiete, eigene Wanderwege, eigene Strände sowieso. Damit auch alle sicher an ihre Anbahnungsorte kommen, floriert das Geschäft mit den besonderen Reiseführern, allen voran der „Spartacus Gay Guide“.
Selbst Klaus Wowereit erwies diesmal bei der ITB dem aparten Wirtschaftszweig seine Reverenz und präsentierte sich den Fotografen umrahmt von den appetitlichen Covermodels des aktuellen „Spartacus“.
Schon lange reichen die heimeligen Ziele in vertrauter Kultur nicht mehr aus, der schwule Reisende fährt auch dahin, wo er überhaupt nicht willkommen ist. Aber soll man in jene Länder reisen, wo Schwule verfolgt, gefoltert oder gehängt werden? Ist es nicht höchst fragwürdig, den Reisetipps für viele der exotischen Destinationen Empfehlungen beizugeben, wie man sich besonders diskret verhält, auf welche geheimen Zeichen man achten sollte und wie man sich am besten schützt vor dem sofortigen Zugriff von Polizei oder Militär? In einem „Pro & Contra: Urlaub machen, wo andere ums Überleben kämpfen?“ des schwulen Stadtmagazins Siegessäule weist beispielsweise Max Klingberg von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte auf die besonders für Schwule gefährliche Situation in Ägypten hin und warnt: „Die Mehrheitsverhältnisse im neuen ägyptischen Parlament lassen wenig Raum für Hoffnung auf eine Liberalisierung.“
Deutlich härter geht Paul Schulz im Hochglanzmagazin Männer mit den Homo-Touristen ins Gericht. Mit Blick auf den Run Tausender schwuler Fans nach Baku zum Eurovision Song Contest im Mai kennt er kein Pardon: „Eigentlich haben Schwule dort, genau wie in Ägypten, Marokko, vielen Ländern Afrikas und weiten Teilen des Nahen Ostens nichts verloren.“ Und sollte jetzt noch jemand empört „Warum?“ fragen, Schulz geht noch einen Schritt weiter: „Weil man als Jude keinen Urlaub im Dritten Reich macht, deswegen!“
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