Die Wahrheit: Die da drüben
Wen Kiwis wirklich hassen.
Ein Neuseeländer ist genügsam. Er ist es gewohnt, dass sein Land auf Weltkarten vergessen und sein Akzent verspottet wird. Er akzeptiert, dass die international bekanntesten Wesen seines Landes Hobbits sind. Er muckt nicht auf, wenn man „Aotearoa“ falsch ausspricht und es, obwohl größer als England, für „klein“ hält. Dennoch hat er seinen Stolz. Eines darf man ihm daher niemals antun, was ihm den letzten Rest von Würde rauben würde: Ihn mit einem Australier verwechseln.
Kanadier haben das gleiche Problem: Nenne sie nie aus Versehen „Amis“. Österreicher sind auf Deutsche auch nicht besonders gut zu sprechen. Man könnte es als Klein-Länder-Syndrom abtun, das Äquivalent zum Short- Man-Syndrom. Im antipodischen Fall ist es jedoch diametral entgegengesetzt. Wir reden hier von Menschen, die nie die Chance hatten, sich zu ihrer vollen Größe zu entfalten, obwohl ihr Land gigantische Ausmaße hat.
In grauer Vorzeit gab es Gondwanaland, da war noch alles gut: Eine einzige Landmasse tief im Süden, grasende Dinosaurier, keine Rugby-Meisterschaften. Es herrschte Frieden. Leider nicht ewig. Denn die Erdkrusten verschoben sich, später entstanden Nationen, und aus den finsteren Kerkern Londons wurden Diebe und Mörder auf Schiffe verladen und weit, weit weg geschickt, wo es von Schlangen und Spinnen nur so wimmelte.
Was blieb diesen armen Teufeln anderes übrig, als in all der Trostlosigkeit und gefährlichen Einöde die Eingeborenen zu jagen und zu versklaven? Da kann man doch vor lauter Kummer nur saufen, auch wenn das einheimische Bier schmeckt wie lauwarme Kängurupisse, und sich fortpflanzen in seinem beschränkten Genpool, der selbst das britische Königshaus in den Schatten stellt. Das Ergebnis davon sieht man in Filmen wie „Crocodile Dundee“.
Dass auf der anderen Seite ihres von Giftquallen verseuchten Ozeans das Paradies liegt – frei, zivilisiert, atomfrei, feministisch, lieblich und überschaubar – macht es für die Zwangsinsassen des roten Kontinents noch schlimmer. Aus Rache und Missgunst ignorieren die Australier Neuseeland seit jeher. Der kleine grüne Bruder im Pazifik, der ihnen in jeder Hinsicht um Meilen voraus ist, auch wenn er kein Opernhaus hat und nicht Olympia-Gastgeber war, der findet bei ihnen einfach nicht statt.
Er wird totgeschwiegen. Noch schlimmer: Gewinnen die Kiwis Goldmedaillen oder ein Spiel bei der Fußball-WM, dann lauten die Schlagzeilen in Sydney gern mal: „Sieg für Australasia“ – als ob es sich um ihre Kolonie handele. Und Russell Crowe, gebürtiger Kiwi und allein schon deshalb ein richtig großer Star, genau wie das Topmodel Rachel Hunter, wird von ihnen einfach als „Aussie“ einverleibt. Deutlicher lässt sich kleingeistiger Neid wirklich nicht zeigen.
Für so viel Unverfrorenheit schätzen die bescheidenen Kiwis die ignoranten Aussies nicht besonders, und wer könnte es ihnen verübeln? Dass die Australier so offensichtlich die schlechteren Rugbyspieler sind und ein Match nur gewinnen, indem sie tricksen und foulen, macht die Sache nicht besser. Da muss man schon verstehen, warum australische Fans nach einem Spiel in Auckland auf offener Straße bespuckt wurden. Die Australier haben schließlich noch viel rüdere Methoden, sich gegen ungeliebte Minderheiten zur Wehr zu setzen.
Von den Possums und Elstern wollen wir gar nicht reden. Die wurden von drüben eingeschleppt und sind schlimme Landplagen in Aotearoa. Die einen fressen Bäume kahl, die anderen verfolgen Radfahrer aus der Luft. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis unsere Katzen von Dingos erlegt werden, Krokodile in unseren Geysiren schwimmen und Haie die Surfstrände Aotearoas verseuchen.
Dagegen verblasst die Zahl der hundert Neuseeländer, die jedes Jahr von Australien nach Neuseeland deportiert werden, weil sie sich im Nachbarland strafbar machten. Hundert kleine Ausrutscher unter den 52.000 Kiwis, die im letzten Jahr gen Westen umsiedelten: Das ist nun wirklich kein Grund zur Aufregung in einem Land, das von Sträflingen besiedelt wurde.
Der „brain drain“, also die Abwanderung der gut ausgebildeten Kiwis, passiert einzig und allein des Geldes wegen und nicht, weil es in irgendeiner Weise im Nachbarland besser oder schöner ist. Da kann man dem neuseeländischen Expremierminister Robert Muldoon nur recht geben, der einst feststellte, dass der Exodus der Kiwis nach Australien den durchschnittlichen Intelligenzquotienten in beiden Ländern anhebe.
Und damit ist eigentlich schon alles gesagt, was sich über diese Spezies da drüben zu sagen lohnt.
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