Die Wahrheit: Ofen aus in der Weihnachtsbäckerei
Wenn man keine Kinder hat, hat man weniger Probleme.
W enn man keine Kinder hat, hat man weniger Probleme. Nicht grundsätzlich, da wird ja von den Kinderlosen vieles übertrieben, weil sie glauben, alle Kinder seien solche Nervensägen wie sie früher.
Dabei sind die meisten Kinder ganz nett. Was aber stimmt, ist, dass man ohne eigenen Nachwuchs zum Beispiel nicht darüber nachdenken muss, wie man mit Rolf Zuckowski umgeht. Nicht mit ihm persönlich, denn glücklicherweise begegnet man solchen Menschen selten im echten Leben.
Außerdem ist der 65-jährige „Musiker“ wahrscheinlich privat ein tofter Typ. Nett sind sie ja alle. Außer die Arschgeigen, die es in jeder Branche gibt. Keine Ahnung, ob Zuckowski dazugehört, ist mir auch wurscht. Mir reichen schon die Probleme, die er mit seinem Oeuvre bereitet.
Wobei ich nicht falsch verstanden werden möchte. Kinder haben, wie wir Erwachsene auch, ein Recht auf Trash. Was Spaß macht, macht eben Spaß, egal wie andere es finden. Egal ob es sich um übergrößige pinkfarbene Jogginganzüge handelt oder gepfiffener Hardrock aus Hannover ist oder Charlie Sheen heißt oder ob auf dem Cover „Benjamin Blümchen“ oder „Bibi Blocksberg“ steht.
Aber es gibt auch Grenzen! Als einmal ein fremdes Kind – offensichtlich ein Produkt von geizigen und ästhetisch ignoranten Mittelschichtseltern – bei uns zum Kindergeburtstag erschien und meiner Tochter eine gebrannte CD mit dem Titel „Rolf und seine Freunde im Kindergarten“ überreichte, sagte ich: „Gib mal her, ich leg sie auf den Geburtstagstisch.“
Augenblicklich warf ich den Tonträger in den Papierkorb, ging an den Computer und brannte eine Ersatz-CD. Ich glaube, es war etwas reizend Skurriles von Erwin Grosche oder eins der alten, bekloppt wirren Kinderhörspiele von Ton Steine Scherben. Vielleicht war es auch „Yellow Submarine“ von den Beatles.
Hauptsache, mein Kind verklebte sich nicht die Gehörgänge mit der sämigen, breiigen, nach einem Baukastensystem hergestellten, musikalisch uninspirierten, leidenschaftslosen Kinder-Klischee-Schlager-Matschepampe aus dem Hause Z.
Einmal wollte ich in einem von mir inszenierten Kindertheaterstück zur Abschreckung ein paar Takte von Zuckowskis „In der Weihnachtsbäckerei“ einspielen. Eine Figur sollte aus Versehen das Radio angeschaltet haben, Sekunden des Zuckowskisongs hören, sich dann mit verzerrtem Gesicht die Ohren zuhalten und schreien: „Iiiihhhh … was ist denn das?“ Kinder und ich stehen auf solche Scherze.
Als ich mich dann aber auf die Suche nach einer Aufnahme begab, spürte ich schon beim ersten Anhören: Nein, ich würde nicht das Original abspielen können. Aus Angst, beim Erklingen der Stimme, könne sich der Leibhaftige genau dort, auf der Bühne des Dortmunder Kinder- und Jugendtheaters materialisieren und von mir Besitz ergreifen. Also wählte ich eine Coverversion von Wolfgang Petry. Und das will was heißen!
Und nun kündigt der diplomierte Betriebswirt (sic!) Zuckowski an, sich „von der Bühne zurückzuziehen“. Dazu nur kurz und knapp: Danke!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Wie er die US-Wahl gewann
Die Methode Trump