Die Wahrheit: Der homosexuelle Mann ...
... wünscht sich eine gute Mutter.
wünscht sich eine gute Mutter. Eine, die ihm die große Coming-out-Beichte abnimmt. Die ihn umarmt danach und unter Tränen versichert, dass sie ihn trotzdem liebt, schließlich sei er doch ihr Kind. Die sich aber heimlich fragt dabei, ob sie nicht doch etwas falsch gemacht hat in ihrer Erziehung, dafür seinen Partner annimmt wie einen zweiten Sohn. Schließlich ist ein Schwiegersohn immer noch besser als eine Schwiegertochter.
Die Mutti aller Deutschen ist aber nicht die Mutti aller Schwulen. Vehement verweigert sich Angela Merkel der ganz besonderen Rolle. Zugegeben, die Kanzlerin kennt keine Leidenschaften im politischen Geschäft, es sind keine Überzeugungen, die sie lenken, sondern allein ihr Wille zur Macht und ihr Drang, es allen zu zeigen, dass sie, die Unscheinbare aus dem Mecklenburgischen, die Nummer eins ist unter den Frauen dieser Welt.
Deshalb sollten die Schwulen nicht beleidigt sein, wenn Angela Merkel weiterhin ihre Feindschaft zu ihnen pflegt. Ob Homosexuelle nun heiraten dürfen, mit Steuervorteil oder ohne, mit Adoption oder ohne, ist ihr völlig egal. So egal wie beispielsweise der Mindestlohn, die Schere zwischen Arm und Reich, die Energiewende, die Eurokrise. Sie sei eine „Frau von unerbittlicher Sachlichkeit“, schreibt der Spiegel, „das kalte Herz“.
Wo hat sich Angela Merkel nach langer Abstinenz gegen die Gleichstellung der Homoehe geäußert? Im vergangenen Oktober auf einer Regionalkonferenz ihrer Partei im tiefschwarzen Fulda. Da, wo es keine Widerworte gibt, keine Diskussionen. Der richtige Ort, um Flagge zu zeigen. Schließlich lassen sich mit einem gekonnt platzierten Anti-Homo-Statement mehr Wähler am rechten Rand abgreifen als mit einer Sympathiebekundung bei Lesben und Schwulen. Man muss nur ein bisschen rechnen können.
Mit ihrem Statement von Fulda war sie gewappnet für die Auseinandersetzung in ihrer Partei, lässig ließen sich die Homofreunde in den eigenen Reihen in Schach halten, der Abstimmungssieg auf dem letzten Parteitag in Hannover war ihr nicht zu nehmen. Angela Merkel ist es auch egal, dass sie damit ihre lesbischen und schwulen Partei-„Freunde“ beleidigt, dass sie damit ihre lesbischen und schwulen Kabinettskollegen düpiert, dass sie damit selbst ihren schwulen Frisör im Regen stehen lässt, dass sie sie damit allesamt zu Bürgern zweiter Klasse erklärt. Diese Frau kennt keine Gefühle, jedenfalls nicht in ihrem Amt und keinesfalls für die Getreuen in ihrer Umgebung.
„Starkes Deutschland. Chancen für alle“, hieß die Losung von Hannover. Chancen für alle? Nein, die Kanzlerin aller Deutschen ist nicht an allen interessiert und lässt sich ganz bestimmt nicht von so einer zickigen Minderheit wie den Homosexuellen auf ihrem Egotrip aufhalten. Sie nimmt es sogar in Kauf, im kommenden Jahr vom Bundesverfassungsgericht zurückgepfiffen zu werden von ihrem Marsch zurück in die Vergangenheit. Egal, sie jedenfalls hat sich nicht die Hände schmutzig gemacht mit diesem Homo-Gedöns. Böse, böse Mutti!
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