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Die WahrheitSexismus in Neutrumland

Anke Richter
Kolumne
von Anke Richter

Neues aus Neuseeland: Ihr kämpft gegen den Sexismus, ich kämpfe mit dem Sexy-Frust.

I hr kämpft gegen den Sexismus, ich kämpfe mit dem Sexy-Frust. Da debattiert ihr in Deutschland darüber, wer wem wie tief ins Dekolleté schauen darf. Die Sorgen hätte ich auch gern. Ich sitze nämlich am anderen Ende der Welt und hoffe, dass endlich, endlich, endlich mal jemand eine zweideutige Bemerkung macht, die mir ein wenig Röte ins Gesicht treibt, vom Unterleib ganz zu schweigen.

Wem das internationale Frauenwohl am Herzen liegt, der lege bitte in dem Wirbel um das Verbal-Testosteron alter Politikersäcke eine Gedenkminute für die Damen Neuseelands ein. Vor allem für die zugewanderten, die aus der Heimat anderen Tobak gewohnt sind. Wir sind auf Entzug, und das ist auch nicht immer lustig. Wer schaut mir bitte eine Sekunde zu lang in die Augen oder den Ausschnitt? Wem kann ich bissig kontern? Vielleicht sollte ich ein Brüderle-geprüftes Dirndl tragen, auch wenn dann die Gefahr besteht, dass sich nur lüsterne deutsche Männer über sechzig angesprochen fühlen. So oder so, schlechte Karten.

Es ist ein Kreuz mit diesen Neuseeländern, und zwar ein praktisch-quadratisches, ohne jede Finesse. Sie sind höflich, politisch korrekt, partnerschaftlich, feministisch, furchtbar nett – und in all ihrer braven Zurückhaltung leider so verdammt unerotisierend. Manche würden es verklemmt nennen, aber damit tut man ihnen unrecht. Macht uns doch mal dezent an, Männer des Pazifiks! Versprüht euer Feuer, das bei jedem Rugby-Match und jeder Schafschur zu spüren ist, in Richtung Kiwi-Weibchen. Ihr ganzen Kerle, die ihr Gipfel wie den Everest bezwungen habt: Traut euch, seid charmant. Flirten will gelernt sein, und aller Anfang ist schwer. Entgleist meinetwegen, provoziert, ich habe Nachsicht. Und wenn es zu heftig wird, keine Sorge: Ich konnte mal Karate.

Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Ich will mit niemandem anbandeln, ich bin gern in festen Händen. Und trotzdem spüre ich, dass auf Neuseelands Straßen etwas fehlt, das man nicht nur in Paris, sondern selbst in Pinneberg erlebt: der Augenflirt, das nonverbale Kompliment, das Prickeln in der Luft. Dieses Manko können wesentlich attraktivere Frauen bestätigen, es liegt also nicht nur an meinem fortgeschrittenen Alter, und ich trage auch schon seit 30 Jahren keine lila Latzhosen mehr. Es liegt am extrem gesitteten Umfeld. Neuseeland ist Neutrumland. Frivoles und Zweideutigkeit sind dem Kiwi fremd. Alleinreisende Frauen schätzen das zu Recht. Es ist wunderbar, nicht als Sexualobjekt gesehen zu werden. Aber wenn alles so unsexy ist, ist das auf Dauer auch keine Freude. Als ob man eine unsichtbare Burka trüge.

Woanders auf der Welt demonstrieren meine Schwestern auf dem Slut Walk – all pussy power to them! Währenddessen sitzen mein inneres Flittchen und meine innere Feministin unterbeschäftigt herum, langweilen sich gemeinsam im friedlichen Stillstand und hoffen, dass eine gewiefte Flirtkanone auftaucht, auf die es sich zu reagieren lohnt. Schickt doch mal was rüber, bevor ich sentimental werde.

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Anke Richter
Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).

14 Kommentare

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  • IN
    Ihr Name Dirk

    Berthold ist im Maoriland und flirtet gern ,vielleicht trifft er Anke,danke

  • S
    Schwesterle

    Einfach mal Brüderle einladen, dann wird es schön ...

  • M
    Manfred

    Voll die Steinzeitfrau. Rosinenpickerin. Wasch mich aber mach mich nicht nass. Na dann viel Spass auf der Suche nach dem Hengst-Hauskater.

  • L
    latino

    Habe dein Eindruck, viele von denen die von den Frauen einfordern, sie mögen doch auch mal den ersten Schritt machen, weil sie sonst Angst haben, im Aufschrei zitiert zu werden, haben insgesamt wenig Kontakt zum anderen Geschlecht.

    Es ist nicht schlimm, verwirrt zu sein, und es ist normal nicht zu wissen wie man mit Frau X umgeht, Jungs, aber wenn Frauen euch insgesamt nicht ansprechen, liegt das oft daran dass ihr uninteressant seid. Schon mal daran gedacht?

     

    Das Thema ist kompliziert und gemein, aber aus Frust vor der Schwierigkeit beleidigt zu sein wenn Frauen einen nicht ansprechen ist hart lächerlich.

     

    Ne gute Idee wäre jetzt einfach in der nächsten Zeit ganz ganz gut zuzuhören und zu lernen. Um was kompliziertes zu verstehen braucht man nämlich ne Weile. Und wenn man es bis zum Schluss nicht versteht, ist das so schlimm? Den Sinn des Lebens wird auch nie jemand begreifen.

  • D
    Dekadenz

    Die Klagen in diesem Artikel sind für mich der Inbegriff der Dekadenz. Weil das eigene Leben uninteressant ist, wünscht sich hier eine Frau eine Belebung durch sexistische Beleidigung, Nötigung usw... Und das krasser Weise nicht nur für sich selber und ihr eigenes uninteressantes Leben, sondern so flächendeckend wie es grade aktuell für Deutschland beklagt wird.

    Die innere Feministin sei unterbeschäftigt. Feminismus ist nicht nur für eine selber, sondern für alle davon Betroffenen. Und deshalb mehr als rumzicken mit Männern auf ner Party.

    Es ist der Kampf für eine Gesellschaft, in der Frauen sich frei bewegen und entfalten können ohne sich dauernd mit sexistischen Spaßbremsen auseinander setzen zu müssen. Wer selber seine Freiheit nicht nützen kann sich ein selbstbestimmtes Leben zu gestalten, kann von mir aus den ganzen Tag Flittchen spielen aber bitte ohne gleich das Harrassment für alle Frauen einzufordern.

    Ich war in meiner Jugend lange tarmpend, wildcampend, arbeitend usw. in Neuseeland unterwegs. Mir haben sich äußere und innere Welten geöffnet, als ich begriffen habe, dass es auch für (junge) Frauen Orte -ja ganze Länder- gibt, an denen sie sich (fast) jeder Zeit an (fast) jedem Ort frei bewegen kann. Gestaunt habe ich über die schönen tiefen und intelligenten Begegnungen, die möglich sind, wenn die öberflächlichen Sexismusrituale einfach kein Thema sind.

    Dafür kämpfe ich als Feministin. Wer mit dieser Freiheit nichts anfangen kann, sollte meiner Meinung nach privat einen Ausweg suchen. Zum Arzt gehen, oder was weiß ich - irgendeinen Schläger wird es doch auch in Neuseeland noch geben. Ach ja, Kreativität und Eigeninitiative war ja nicht Ihre Sache. Dann muss ja doch Sexismus für Alle her.

  • HL
    Hauke Laging

    "Sie sind höflich, politisch korrekt, partnerschaftlich, feministisch, furchtbar nett"

     

    Oha, das muss man sich jetzt mal einen Moment lang merken. Dann weiß man,

     

     

    "Macht uns doch mal dezent an"

     

    Da Frauen statistisch gesehen nicht mal das hinkriegen (und nein, ich rede nicht speziell von mir), was sie alles nicht sind. Es reicht eben nicht, sich dafür zu halten. Wäre das fixer Bestandteil des öffentlichen Diskurses, meine Güte, wie weit hätten wir inzwischen sein können...

     

     

    "Traut euch, seid charmant. Flirten will gelernt sein, und aller Anfang ist schwer."

     

    Sagt eine Frau in Richtung der Männer. Das ist ja nur noch zum Totlachen. Ich nehme an, der Autorin ist die Tragik erspart geblieben, jemals eine Anmache von weiblicher Seite zu erleben.

  • G
    Georg

    Hm, wenn Ihre innere Feministen nix zu tun hat, vielleicht ermutigt sie SIE mal, aktiv zu werden? So mit Männer ansprechen, kreativ sein, Frivoles und Zweideutigkeit loswerden, flirten halt. Was Sie von den Männer erwarten.

     

    Weil: War das nicht mal die Idee von Feminismus, dass auch Frauen das dürfen und machen, was sonst immer nur Männer dürfen? Dieses "Emanzipation" eben? Oder war das alles gar nicht so ernst gemeint? :)

  • G
    großmeister_b

    Wäre es jetzt sexistisch zu sagen

    "Den Frauen kann man's echt nicht recht machen" ?

    Ich glaube nicht.

  • MB
    Mario B.

    Ich hoffe sie meinten das ironisch, Frau Richter?

     

    Und den Seitenhieb auf die lila Latzhose hätten sie sich sparen können. Denn leider wird dieses Distanzieren vom Feminismus ja oft dafür genutzt, um für die heterosexuelle Herrenwelt Attraktivität auszustrahlen. Das ist tragisch.

     

    Natürlich ist es nachvollziehbar, dass man es als Manko wahrnimmt, wenn man in seinem westlichen Rollenverständnis (Mann=aktiv, geht auf Frauen zu, Frau=passiv, wartet darauf, angesprochen zu werden) nicht mehr in gewohnter Manier kommunizieren und flirten kann. Aber sehen sie das Manko doch als Gewinn und probieren sie doch mal was Neues.

     

    Wenn man ihnen glauben darf, dann befinden sie sich in einem idealen Umfeld für Flirts auf Augenhöhe. Wünschen sie sich doch also bitte keine Übergriffe & Grenzüberschreitungen herbei, sondern ermächtigen sie sich selbst. Viel Erfolg.

  • A
    an_fi

    kleiner Hinweis an die Kommentatoren:

     

    [Zitat]

     

    "Die Wahrheit

     

    ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit."

  • C
    Cicero666

    Wow. Und so was Erfrischendes in der taz! Man glaubt es nicht!

     

    Vielleicht lande ich doch nicht im Puritanismus!

  • P
    Panamalarry

    Meinen Sie das jetzt ernst?

     

    Falls ja, eine Frage:

    Warum sollte mann Ihrem inneren Flittchen was zum spielen anbieten, um dann von Ihrer inneren Feministin eine verbraten zu bekommen?

     

    Die Zustände kommen bei uns auch noch, hoffentlich bald. Ist aber auch egal, Gemaule mit Moralkeule gibts immer, wenn nicht jede genau das bekommt, was sie jetzt gerade will. Früher hieß das noch Gemaule, heute Feminismus.

     

    Geht woanders spielen.

  • AN
    Arno Nym

    Hmmm ist das jetzt eine Klage über mangelnden Sexismus oder wird hier nur die eigene Unattraktivität beweint?

     

    So oder so ein eher uninteressanter Kommentar? Die Neuseeländer sind also alle politisch korrekte un-sexistische und höfliche Männer die Frauen "feministisch-korrekt" behandeln? Und darüber wird sich allen Ernstes beschwert?

     

    Sorry aber so ein Geschreibsel rechtfertigt quasi die ultimative Vergewaltiger-Ausrede "Sie wollte es doch".

  • H
    horsti

    danke taz.

     

    dauert auch nicht mehr lange dann ist es hier in D genau so.

     

    HG

     

    Simon