Die Wahrheit: Rap around the Rock
Im Mittelalter überhäuften die Schotten bei Streitigkeiten ihre Widersacher so lange mit wüsten Schimpftiraden, bis die sprachlos waren. So wurde der Rap erfunden.
Plötzlich taucht ein Mann am Straßenrand auf. Er trägt einen Rock. Genauer gesagt, ist es ein Kilt, jene schottische Nationaltracht, zu der ein Fellbeutel, ein Messer und allerlei andere Accessoires gehören. Der Mann bläst aus voller Kraft in einen Dudelsack und entlockt dem Instrument ohrenbetäubende Töne. Neben ihm steht ein großes Schild: „Welcome to Scotland!“ Fehlt nur noch ein Fläschchen Whisky und ein Teller Haggis, und das Bild vom Schotten an sich wäre perfekt. So jedenfalls stellt sich das schottische Fremdenverkehrsamt die Vermarktung des Landes vor. Schotten, so suggerieren sie, leben in alten Burgen an tiefen Seen oder „Lochs“, die von Monstern bevölkert sind.
Alles alte Hüte, meint der schwedische Reisefuturologe Magnus Lindkvist. Sollten die Schotten weiterhin auf solche Klischees setzen, werden die Touristen in zehn Jahren ausbleiben, weil die Konkurrenz nicht schlafe. Calum Macnee widerspricht: Nur weil diese Klischees seit Langem benutzt werden, heiße das noch lange nicht, das sie nicht mehr funktionieren, meint er. Macnee ist Geschäftsführer eines Reiseunternehmens, das sich in Anlehnung an den Nationaldichter Robert Burns den unsäglichen Namen „Rabbies Trail Burners“ gegeben hat. „In Südostasien verbinden die Menschen solche Bilder mit Schottland“, sagt Macnee.
Eben, meint Lindkvist, und genau das sei das Problem. Wenn der Touristenstrom nicht plötzlich abreißen soll, müsse sich Schottland um Nischenmärkte und moderne Attraktionen kümmern. Warum nicht Rap-Musik? Schließlich haben Schotten nicht nur Telefon und Fernsehen, Radar, Penizillin und geklonte Schafe erfunden, sondern eben auch Rap. Professor Ferenc Szasz von der University of New Mexico kann das belegen. Im Mittelalter trugen die Schotten ihre Meinungsverschiedenheiten nämlich nicht – wie heute – mit den Fäusten aus, sondern mit Worten. Beim flyting überhäufte man den Widersacher so lange mit wüsten Schimpftiraden, bis er sprachlos war.
Diese schöne Tradition nahmen die schottischen Auswanderer nach Amerika mit. Kamen sie dort zu Geld und konnten sich Sklaven leisten, so mussten die nicht nur den Namen des Eigentümers übernehmen, sondern auch seine Sprache und Traditionen. Noch 1918 sollen gläubige Schwarze beim Gottesdienst in Alabama in schottischem Gälisch gesungen haben. Manche Nachfahren dieser Sklaven brachten es auf musikalischem Gebiet recht weit, zum Beispiel Dizzy Gillespie, Louis Armstrong und Charlie Mingus, auch wenn sie nicht Dudelsack spielten. Die Schwarzen haben die Elemente, die ihnen von Weißen aufoktroyiert wurden, übernommen und geschwärzt, meint Szasz. Und weil ihnen das flyting seit Jahrhunderten im Blut liegt, brach es eines Tages in der Bronx wieder durch und wurde zu Rap.
Der einsame Dudelsackspieler an der Grenze bei Berwick sollte sich das zu Herzen nehmen und auch auf Rap umsteigen. Seine Lunge dürfte durch jahrelanges Dudeln auf dem Sack kräftig genug dafür sein.
Die Wahrheit auf taz.de
Leser*innenkommentare
Interligenziah Quotientosah
Gast
Also ich fand den "Interlekt" von Muhmann noch viel klasser. Superklasser. Gibt es mehr schöne Kommentare von dem zu erwarten? Das wäre ja "wiederlich", mehr davon!
Mähmann
Gast
Herr Muhmann,
welch konfuse Assoziation! Hierin steckt nirgendwo Rassismus, weder widerlicher noch wiederlicher Art.
Erwiedert
Mähmann
Muhmann
Gast
"Und weil ihnen das flyting seit Jahrhunderten im Blut liegt, brach es eines Tages in der Bronx wieder durch und wurde zu Rap."
Was soll ein solch wiederlicher Rassismus in diesem Artikel bzw in der TAZ?!
Schwarze haben also Musik oder auch Rythmus im Blut und weisse Überliefern ihre wertvolle Kultur über Genarationen welche nun leider leider immer mehr verfällt oder wie?
....ein trauriger Klassiker des Rassismus, Schwarze werden mit körperlichen Attributen assoziiert und weisse mit dem Geiste also dem Interlekt.
Ganz miese Sache!