Die Wahrheit: Im schlechten Licht
Wie man künftig Strom sparen kann auf der unter Dauerstrom stehenden Baustelle des Berliner Geisterflughafens
Da predigt man Stromsparen, aber da predigt man in der Hauptstadt tauben Ohren: Der stillliegende Großflughafen in Schönefeld schafft es, mehr Strom zu verbrauchen als der brummende Kleinflughafen in Tegel während des Volllastbetriebs! Doch man kann daran auch das Gute erkennen: Nur wer Strom verbraucht, kann welchen einsparen (Laotse), und wer sehr viel Strom verbraucht, kann sehr viel einsparen.
Die einfachste Methode, Strom zu sparen, ist zunächst einmal, das Licht auszuschalten. Das wäre ein schöner Anfang am Flughafen „Willy Brandt“, denn dort brennt ja bekanntlich Tag und Nacht das Licht. Die hübsche Ausrede des neuen Technikchefs Horst Amman, „dass sich das Licht nicht ausschalten lasse, weil die Steuerung nicht funktioniere“, hat die Flughafengesellschaft laut dem Tagesspiegel zurückgewiesen. Der „erfahrene Planungsmanager“ (Handelsblatt) wurde aber für seine Aussage leider nicht abgeschaltet und das Licht am Flughafen erst recht nicht.
Wie wäre es denn, mit der bekannten „Der Letzte macht das Licht aus“-Methode anzufangen? Oder zu Anfang wenigstens mit der „Jeder Zweite macht das Licht aus“-Methode? Das könnte schon mal die Hälfte Strom sparen. Von der ersten Methode zumindest.
Auch an den Zufahrten des Flughafens sehen Experten ein großes Einsparpotenzial. Diese – die Zufahrten, nicht die Experten – sind in der Dunkelheit beleuchtet wie „sonst die Autobahnen in Belgien“, berichtet der Spiegel. Ein paar Ohne-Licht-fahren-Verbotsschilder würden hier rasch Abhilfe schaffen. Dazu läuft die Klimaanlage rund um die Uhr. Würde man das Wachschutzpersonal mit Handschuhen und Wollmützen ausstatten, könnte Technikchef Amman auch hier den Ausschalter betätigen.
Außerdem müssen dem Tagesspiegel zufolge 750 Bau-Container „auf Hochtouren“ mit Strom versorgt werden. Bierkühlen und Dudelradio-Hören kosten offenbar Strom und Nerven. Der nachhaltige Energieberater empfiehlt hier die Umstellung auf Rotwein, der nicht gekühlt werden muss. Ob allerdings die Körper der Bauarbeiter die gravierende Veränderung verkraften, ist fraglich.
Es gibt allerdings auch positive Ansätze beim Management des neuen Airports: Der umtriebige Flughafenchef Hartmut Mehdorn hatte vermutlich die Vorschläge des Wahrheit-Experten gelesen, der vor einiger Zeit angeregt hatte, den Geisterbahnhof des Flughafens mit einer Geisterbahn zu befahren und so Unsummen zu verdienen. Derart inspiriert, schlug Mehdorn kürzlich vor, regelmäßig Neugierige und Baustellen-Touristen zum neuen Bahnhof zu kutschieren. Doch die S-Bahn-Chefs reagierten verhalten. Sie wissen, Fahrten mit Fahrgästen sind nur halb so schön und kosten. So bezweifelten die Verantwortlichen der Bahn, dass es genügend Fahrgäste für einen „Baustellenverkehr“ geben würde. So kann das ja nichts werden!
Dabei bemüht sich die Event-Abteilung des zukünftigen Flughafens nach Kräften und ist womöglich auf lange Sicht die einzig profitable Einrichtung des Millionengrabs BER. Gibt es dort doch ein schönes Kinderferienprogamm: „Ein Tag am Flughafen“ heißt es. Den Kindern werden für 19 Euro ein Lunchpaket, ein Mittagessen und ein Besuch der Besucherterrasse angeboten. Von dort lassen sich startende und landende Flugzeuge beobachten, verspricht die Website der Flughafengesellschaft. Aber wahrscheinlich ist gerade am Besuchstag kein Flugbetrieb. Schade, Kinder.
Außerdem wird eine Erlebnis-Tour angeboten, bei der Abenteuerlustige für 10 Euro von einem Besucherzentrum, das weltläufig „Airportworld“ heißt, über das Baustellengelände gefahren werden. Dabei können sie dem emsigen Gewimmel der Baustellenarbeiter zusehen und sich am glänzenden Lichterschein des Terminals erfreuen.
Und der erste Schritt zu einem effektiven Umgang mit Energie ist vom Sparfuchs Mehdorn auch schon getan worden: Die Flachbildschirme im Terminal sind abgeschaltet worden!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Vorschläge für bessere Schulen
Mehr Führerschein wagen