Die Wahrheit: Nasen im Parlament

Politik sollte Politik und Clown sollte Clown bleiben: Die seltsamen Tiririca-Effekte in der brasilianischen Politlandschaft.

Spaßpolitik do Brasil. Bild: ap

Sich lächerlich machen können brasilianische Abgeordnete gut. Sei es, indem sie sich mit Geldschein-Päckchen in der Unterhose erwischen lassen oder indem sie niedliche Freudentänze in der Parlamentssitzung aufführen, wenn ihnen wieder ein Korruptionsstück gut gelungen ist.

Als allerdings 1,3 Millionen einen echten Clown ins Parlament wählten, dessen Wahlversprechen hieß: „Wählt Tiririca, schlimmer, als es ist, kann es nicht mehr werden!“, da wollten sich die Abgeordneten doch dringend abgrenzen. Politik sollte Politik und Clown sollte Clown bleiben. Sie suchten nach einem Weg, ihn loszuwerden, und fanden ein Gesetz, das Analphabeten verbietet, Politiker zu werden.

Lesen und Schreiben sind in Brasilien so unwichtig, dass heute noch fast ein Drittel der Bevölkerung ohne auskommt. Analphabeten dürfen zwar keine Politiker werden, sind aber als Wähler sehr geschätzt.

Tiririca, ein erfolgreicher Geschäftsmann, verdiente als Clown besser als die meisten Abgeordneten, beschäftigte seine Ehefrau als Assistentin und diktierte ihr alles Wesentliche. Es wird gemunkelt, dass auch die krakeligen Zeilen zu Tiriricas Ehrenrettung aus ihrer Hand stammen sollen.

Jedenfalls: der Clown blieb im Amt. Und die anderen Parteien wurden neidisch – weil die Wähler neben Tiririca drei weitere Parteigenossen ins Parlament hievten. „Tiririca-Effekt“ heißt das inzwischen. Den hätten jetzt alle gern. Aber weil es nicht genug gute Clowns im Land gibt, treten nun reihenweise Schönheitschirurgen, Sänger, Schwimmer, Ex-Fußballtrainer oder Ex-Big-Brother-Teilnehmer politischen Parteien bei.

Wahlprogramme haben solche Kandidaten nicht nötig

Klare Favoriten unter den neuen Promi-Kandidaten sind: Sula, Ex-Sängerin und Muse der Brummi-Fahrer, Bambam-Kleber, Muskelmann und Ex-Big-Brother-Sieger sowie Narcisa, Ex-Ex-Millionärsgattin. Mit Sula hat eine Partei in einem Land ohne nennenswerten Schienenverkehr zigtausende Brummi-Fahrer auf ihrer Seite. Und seit die Frau im Cowboyhut sich zum Glauben bekannt hat, können die harten Jungs ihre CDs sogar zu Hause bei Mama hören. Vielleicht wählt die gleich mit.

Bambam überzeugt mit Muskeln – und die Politik braucht starke Männer. Die Wirtschaft hingegen braucht Bambams inniges Verhältnis zum Konsum: diese Woche kauft er einen Mercedes, nächste Woche eine Honda – wenn sich genug Leute daran ein Beispiel nehmen, wird Brasilien zum Top-Standort für die Automobilindustrie.

Narcisa Tamborindeguy ist reich geboren, zweimal reich geschieden und erzählt gern von sich: etwa wie sie sich früher Drogen frei Haus liefern ließ oder sich heute mit ihrem neuen Lover vergnügt. Oder davon, dass sie in ihrer Freizeit Eier aus ihrem Wohnzimmerfenster wirft und Wasser auf Passanten an der Copacabana gießt.

Wahlprogramme haben solche Kandidaten nicht nötig. Slogans auch nicht. Narcisa hatte zwischendrin sogar vergessen, welcher Partei sie beitreten wollte. Offiziell war sie Mitglied der PSD geworden. Bis man sie daran erinnerte, dass sie damals der PSDB zugesagt hatte. Kein Problem: Schnell wieder aus- und der anderen beigetreten. Es gibt schließlich kein Gesetz, dass Politiker denken müssen. Hauptsache, sie können lesen und schreiben.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.