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Die WahrheitDer homosexuelle Mann …

Kolumne
von Elmar Kraushaar

Der Bund Lesbischer und Schwuler JournalistInnen vergibt einen Medienpreis, der benannt ist nach Felix Rexhausen. Pädophil, pädophil!, schreit es jetzt im BLSJ.

organisiert sich gern mit seinesgleichen, in sexueller wie politischer Angelegenheit, aber auch in beruflichen Dingen. In der Neuzeit der Bewegung nach 1969 waren die Soziologen die Ersten, es folgten die Literaturwissenschaftler und die Lehrer. Inzwischen gibt es – mal mit, mal ohne lesbische Frauen – vereinte Polizisten und Soldaten, Landwirte und Ärzte, Postangestellte und Führungskräfte, Seelsorger und Juristen – und Journalisten.

Letztgenannter Bund Lesbischer und Schwuler JournalistInnen (BLSJ) wurde 1997 gegründet, ein Jahr später lobte er erstmalig einen Medienpreis aus als Anerkennung „für ein besonderes publizistisches Engagement bei der Berichterstattung über Lesben und Schwule“. Seit 2001 hat der Preis auch einen Namen, benannt nach dem 1992 verstorbenen Satiriker, Schriftsteller und Journalisten Felix Rexhausen.

Der nahm gern das deutsche Gemüt aufs Korn und veröffentlichte bereits 1966 „Das Lavendelschwert – Dokumente einer homosexuellen Revolution“. 1969 widmete er sich – unter dem Pseudonym Stefan David – mit „Berührungen“ dem vielfältigen Sexleben des homosexuellen Mannes seiner Zeit.

Just dieses Buch, im Jahr 2003 unter Klarnamen neu aufgelegt, sorgt jetzt für helle Aufregung beim BLSJ. Zwar sei Rexhausen kein „Pädo“, seine „Berührungen“ aber bedienten „eindeutig pädophile Phantasien“, heißt es plötzlich. Deshalb habe der Preis-Patron seine „Vorbildfunktion verwirkt“, ein anderer Name für den Preis soll her. Noch hat niemand die pädophile Gefahr von Felix Rexhausen erkannt, kein übereifriger Staatsanwalt und auch kein hysterischer Journalist, doch in vorauseilender Vorsicht wollen die NamensgegnerInnen im BLSJ ihren Verein vor jeglicher Rufschädigung bewahren.

Gefahr der Lächerlichkeit

Was aber hat sich Rexhausen in seinem Roman zuschulden kommen lassen? Mal taucht ein 15-jähriger Stricher auf im Geschehen, mal fantasiert ein 14-Jähriger von sexuellen Spielereien mit einem 11-Jährigen. „Zwangsprostitution“ und „sexueller Missbrauch“, raunen jetzt die Rexhausen-GegnerInnen. Und wenn der Autor sich explizit ablehnend über Sex mit „Sieben- oder Neunjährigen“ äußert, aber weiter schreibt: „Liebe und Lust mit einem Fünfzehnjährigen sind eine durchaus andere Sache“, reklamieren sie jetzt „eine klare Absage an Sex mit 10- bis 14-Jährigen“, das bliebe vielsagend ausgespart.

Auch wenn die „Berührungen“ des Stefan David 1969 in der „Olympia Press“ erschienen sind, zu jener Zeit der Verlag für linksintellektuelle Porno-Liebhaber, ist der Roman alles andere als pornografisch und kann heute schon gar nicht derart gelesen werden. Hier würden „pädophile Phantasien“ bedient, ist Geschwätz, geschuldet der grassierenden Pädo-Hysterie in den Medien.

Wenn jetzt die Verbandsmitglieder – Anfang März dazu aufgerufen, über eine Namensänderung abzustimmen – diesem Ansinnen nachgeben, beschädigen sie den Autor post mortem und machen sich als Organisation lächerlich. Und überantworten ein weiteres Stück Literatur der zeitgeistigen Demontage.

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