Die Wahrheit: Safety in Paradise
Neues aus Neuseeland: Wer mit der dort ansässigen Air New Zealand fliegt, darf sich auf ganz großes Kino gefasst machen.
S eit die Malaysia-Maschine vom Radar verschwand, macht man sich vor dem Fliegen so seine Gedanken. Ich bin in den nächsten Wochen viel im Lande unterwegs. Meine Vorkehrung heißt: Spruchbänder und Megafon ins Handgepäck. Vielleicht noch Proviant, falls wir gar nicht abheben. Denn in den ersten Minuten an Bord könnte es zu Tumulten kommen. Ausgelöst von Menschen, die aus Protest aufstehen und demonstrativ den Rücken zu den Bildschirmen drehen. Doch wenn Air New Zealand sein neuestes Sicherheitsvideo zeigt, ist Solidarität gefragt.
Normalerweise sind diese Bordfilmchen kulturelle Großereignisse. Kiwis sind immer sehr happy, ihr schönes Land beworben zu sehen. Unsere nationale Fluglinie lässt sich stets was Feines einfallen: Stewards in Bodypaint oder Rugby-Stars. Doch diesmal bin ich aufs Schärfste vorgewarnt. Das neue Air-New-Zealand-Video ist ein Eklat. Es ist sexistisch. Es ist der diesjährige Aufreger der antipodischen Luftfahrt. Ein Schocker, der die Titelseiten dominierte, während Kim Dotcom kurze Verschnaufpause machte. Dazu Schlagzeilen von Sydney bis CNN: „Turbulenzen für Air New Zealand“!
Kokossaft aus Strohhalmen
Ich bin aufs Schlimmste gefasst, als ich endlich in die nächste Maschine steige. Mit internationaler Frauenpower gewappnet schnalle ich mich an. Vielleicht sollte ich aus weiter Ferne live an #aufschrei tweeten? Davon muss die Welt erfahren. Das Video springt an: „Safety in Paradise“. Polynesische Musik erklingt. Ich traue mich kaum hinzugucken. Vier Schönheiten aus dem Sports-Illustrated-Sortiment flanieren auf dem Sand der Südseeinsel Rarotonga. Eine Unverschämtheit: Auf den Cook-Inseln sieht es nicht überall so paradiesisch aus! Aber um Postkartenklischee contra polynesische Realität geht es jetzt nicht. Also doch hingeschaut. Tut auch kaum weh. Die Models werfen verführerisch die Haare zurück, schlürfen aus Strohhalmen Kokossaft und demonstrieren nebenbei, wie der Anschnallgurt zwischen Tanga und Blumenkette straff sitzt. Vier Minuten lang weichgespülte Bikini-Posen. Ich hab’s überlebt. Die Langnese-Spots früher waren auch nicht schlimmer.
Ginge es nach Deborah Russell, Dozentin an der Massey-Universität, wäre mir dieser Affront besser erspart geblieben. „Safety in Paradise“ schade der Sicherheit der Frau, so die feministische Streiterin. Leider hat sie wohl übersehen, dass in dem hirn- und harmlosen Filmchen auch ein paar Island Boys vorkommen – knackig, dumpfbackig und natürlich nackt bis zur Hüfte. Sie bestechen auch nicht gerade nur durch ihr Hirn. Aber egal. Wollen wir nicht kleinlich sein, wenn’s ums Große geht.
Der Sturm über den Wolken schlug Wellen: 1,2 Millionen Klicks des Videos auf YouTube in nur fünf Tagen. Vielleicht bleibt neben der knappen Bademode auch die wichtigere Botschaft hängen: Notausgänge, Atemmaske, Schwimmweste! Noch ist die Nacktfleisch-Kalkulation nicht ganz aufgegangen. Ein früherer Air-New-Zealand-Spot mit „Golden-Girl“-Star Betty White erzielte weit mehr Zuschauer. Die alte Dame ist 92 und komplett bekleidet.
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