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Die WahrheitFranks futuristischer Sound

Kolumne
von Joachim Schulz

Nach zwanzig Jahren im Sanitärgeschäft scheint für Frank die Zeit gekommen, die Welt mit seinen avantgardistischen Blockflötenklängen zu erobern.

Seht ihr, es ist ganz einfach!“, rief Raimund, während der Zug, in dem Frank saß, langsam kleiner wurde: „Weg ist er, und wahrscheinlich hat er uns schon vergessen.“ „Quatsch!“, knurrte Theo: „Ich schätze, dass er schon jetzt krank vor Heimweh ist und zitternd und schwitzend zur Notbremse raufguckt.“

Frank war – wie wir fast alle – vor ziemlich genau dreißig Jahren in die Stadt gekommen, um etwas zu studieren, das zu nichts führte. Er jobbte zuerst als Barmann im Prokopop Z und fuhr dann zwanzig Jahre lang Dixi-Klos zu Baustellen. Einmal hatte er sogar die Chance, in der Verwaltung der Dixi-Klo-Versorgungsfirma Karriere zu machen, doch unerklärlicherweise verschlief er den Termin für das Vorstellungsgespräch, sodass ein blasser BWLer den Job bekam, der das Wort Dixi-Klo nicht mal aussprechen konnte, ohne vor Scham zu stottern.

Frank freilich sagte nur: „Kismet!“, und zog sich in den Gartenpavillon zurück, den Mathildas Onkel Eugen ihm mietfrei überlassen hatte. Er bastelte dort an experimentellen Kompositionen, die er „Frank’s Fantastic Futuresound“ nannte. Das Zentrum der Orchestrierung bildete immer eine Blockflöte, die ein Set von Dampfkochtöpfen, Handstaubsaugern oder auch Milchaufschäumern ergänzte, und die seltenen Konzerte, die er in der Black Bean Bar gab, waren legendär. Seine Fangemeinde allerdings war klein, und die örtlichen Kulturverweser verzogen gequält das Gesicht, wenn sie den avantgardistischen Krach hörten. „Du musst fortgehen, du musst in die Metropolen!“, beschworen wir ihn, doch er sagte nur: „Ja, ja …“, blieb da und sah zu, wie die Zeit verging.

Frank packte tatsächlich seine Blockflöte ein

Eines Abends aber saßen drei junge amerikanische Touristen in der Black Bean Bar. Sie waren begeistert und riefen, er müsse zu ihnen nach Boston kommen, er werde von dort aus die Welt erobern. Frank sagte: „Ja, ja …“, doch kurz darauf packte er tatsächlich Blockflöte, Notenblätter und ein paar Klamotten ein, verschenkte den Rest – und stieg in den Zug.

„Jede Wette“, sagte Theo, als wir den Bahnhof verließen, „noch heute Abend wird er im Café Gum auftauchen und fragen, ob er nicht vorübergehend bei einem von uns auf dem Sofa schlafen kann.“ Doch Frank tauchte nicht auf – weder an diesem noch an irgendeinem Abend. Stattdessen erfuhren wir einige Wochen später, dass ein neuer Musikstil namens „Fantastic Futuresound“ in den USA für Furore sorgte. „Ich hab’s gewusst“, rief Raimund, „es ist möglich! Auch wir können immer noch weggehen und in den großen Städten unser Glück machen!“

Und wer weiß, vielleicht hätte er wirklich allen Mut zusammengenommen und seine Siebensachen gepackt, wäre uns nicht zu Ohren gekommen, dass es die drei Touristen aus der Black Bean Bar waren, die mit einer massentauglichen Futuresoundversion in den USA ein Vermögen machten, während sich für Frank kein Mensch in Boston interessierte, sodass er schließlich in seine Heimatstadt am Niederrhein zurückkehrte und doch noch die Blockflötenschnitzwerkstatt seines Vaters übernahm.

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