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Die WahrheitWortminen in Wohnzimmern

Kolumne
von Pia Frankenberg

Tagebuch einer Sprachbeobachterin: Die CSU will, dass Migranten Deutsch sprechen. Da sind kreative Motivationsstrategien gefragt.

W ir schreiben das Jahr 2014, ein Bericht aus der Gesellschaft für bedrohte Sprachen:

Im veränderten Leitantrag zum Parteitag der CSU wird der Migrant, der „dauerhaft hier leben will“, nun nicht mehr „dazu angehalten, im öffentlichen Raum und in der Familie deutsch zu sprechen“, sondern soll nur „motiviert werden, im täglichen Leben deutsch zu sprechen“.

Erleichterung! Über den heimischen Esstischen und in den Wohnzimmern unserer nicht primär deutschsprachigen Mitbürger werden nun doch keine Drohnen kreisen, die jedes Wort aufzeichnen und an die Zentrale der Bayerischen Staatsregierung senden. Dumm nur, dass sich das „tägliche Leben“ – sofern man seine Tage nicht in einer Laubhütte im Wald oder in einem CSU-Abgeordnetenbüro verbringt – größtenteils im öffentlichen Raum abspielt.

An dieser Stelle ist der engagierte Bürger in Gestalt des CSU-Parlamentariers gefragt! Nach einer Kurzausbildung zum Motivationstrainer sollte seine Partei ihn zum Entschärfen undeutscher Wortminen direkt an die Fremdsprachenfront schicken; da jedoch die Anzahl der Migranten in ungünstigem Verhältnis zur Anzahl aller CSU-Abgeordneten steht, wird es wohl nur schleppend vorangehen, bis sich alle total motiviert in der Sprache Goethes unterhalten können.

Bis dahin müsste auf Bildertafeln zurückgegriffen werden. Für den Migranten sollte es zur Vermeidung von Rückfällen in die Muttersprache Pflicht sein, bei Einkäufen oder Behördengängen eine Auswahl von „Memory“-ähnlichen Bildkärtchen bei sich zu tragen; die von den Feinheiten der eigenen Sprache überforderten Deutschen hingegen – wie zum Beispiel der Transrapid-Poet Edmund Stoiber – dürfen Sprachunfälle mit dem Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit ausgleichen.

Der hier geborene Migrant muss für seinen deutschen Pass allerdings etwas mehr aufbieten. Tja, Alda, ist hier nicht wie in den USA, wo man via Geburt automatisch Amerikaner ist, Präsident(in) werden kann und als solche(r) außer Englisch auch ein paar Brocken Spanisch beherrschen sollte!

Wenn endlich die Motivationsanstrengungen greifen, wird es abends in der Migrantenwohnung selbstverständlich laut, weil in der kurzen Zeit, bis man wieder im öffentlichen Raum unterwegs ist und spricht, alle noch schnell Ausländisch reden wollen. Um Ruhestörungen vorzubeugen, könnte man für die fremdlautige Kommunikation ungenutzte schalldichte Bunker aus dem letzten Krieg anbieten, sofern diese nicht schon als Musikstudios zweckentfremdet wurden. Apropos Musik: Undiskutiert blieb bisher, ob der bleibewillige Migrant auch zum Singen deutscher Texte motiviert werden soll, eine Maßnahme, die der CSU möglicherweise mehr „Stress ohne Grund“ bescheren könnte, als ihr lieb ist.

Was aber sagt die höchste Instanz? In den „Tagesthemen“ erklärte die Kanzlerin in bewährter Undeutschlichkeit: „Gute Deutschkenntnis ist das A und O, und wie man sie gewinnt, darüber kann man viele Möglichkeiten sich ins Auge fassen.“ Aua.

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