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Die Wahrheit holt jetzt doch die KFOR ein

„Verschleiern und bemänteln“ hieß bislang das Konzept der KFOR. Doch das geht nicht auf. Der Chef der US-Nato-Truppen räumt die Existenz von serbischen Paramilitärs in Mitrovica ein ■ Aus Pristina Erich Rathfelder

Als ein „Phantom“ bezeichnete der französische KFOR-Sprecher Mathieu Mabin noch am Sonntag Berichte, wonach es in dem serbisch kontrollierten Teil Mitrovicas serbische paramilitärische Gruppen gibt. Erst der Oberkommandierende der amerikanischen Nato-Truppen in Europa, Wesley Clarke, gab auf einer Pressekonferenz in Priština am Montag die Existenz dieser Gruppen zu. Die KFOR-Sprecher nehmen es seit Beginn ihrer Tätigkeit mit der Wahrheit nicht immer so genau. Nach dem Einmarsch der Nato-Truppen gab es noch eine relativ offene Pressepolitik, mit der Dauer des Einsatzes wird sie immer restriktiver. Dies äußert sich schon seit geraumer Zeit in der Unlust der Journalisten, Pressekonferenzen zu besuchen. Die Informationsbeschaffung vor Ort ist fruchtbarer. Der deutsche Presseoffizier, Oberstleutnant Philipp, entschuldigte die Fehlinformationen der KFOR mit der Feststellung, auch im Spendenskandal in Deutschland würde die Wahrheit nur stückchenweise zugegeben. Hintergrund für diese Pressepolitik ist die „Geheimdiplomatie“, die UN-Verwaltung und KFOR-Militärs betreiben. Man will wohl unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit den politischen Führern der Albaner und Serben verhandeln.

Dass eine solche Politik schon in Bosnien ins Verderben führte, als im Geheimen über die Enklaven Srebrenica und Zepa verhandelt wurde, ist bekannt. Die Amerikaner verhalten sich ebenfalls taktisch. Sie wollen jetzt nicht mehr mitspielen, weil sie politisch ins Hintertreffen geraten. Denn die Spannungen zwischen Amerikanern und Franzosen sind im Kosovo unübersehbar. US-Soldaten patrouillieren seit Montag lediglich in der von Albanern und Bosniaken bewohnten nichtserbischen Enklave im Nordteil der Stadt.

Indem die französischen Kommandeure bei der Militäraktion am Sonntag im serbisch kontrollierten Teil Mitrovicas die US-Soldaten „ins offene Messer laufen ließen und dann zurückbeorderten, ließ das Fass überlaufen“, erklärte ein hoher amerikanischer Offizier. Im französischen Sektor des Kosovo würde eine eigene, „selbstständige Politik“ gemacht, erklärte er. „The french fucked the place.“

Eine offenere Pressepolitik der KFOR hätte wohl in der Öffentlichkeit schon früher zu mehr Druck geführt, gegenüber paramilitärischen Truppen in Mitrovica vorzugehen. Es handelt sich dabei um bewaffnete Zivilisten, die von erfahrenen Militärs aus Serbien angeleitet werden. Das jedenfalls ergeben Recherchen von Journalisten. Mitarbeiter eines amerikanischen Nachrichtenmagazins fanden heraus, dass die Franzosen Kenntnis von Scharfschützenstellungen auf serbischer Seite hatten und nichts dagegen unternahmen. Überdies hätten sie den Serben logistische Hilfe gewährt. Die serbischen Militärs verfügten über eine Kommandostruktur in der Stadt, behaupten die Rechercheure.

Auch die Steineschmeißer vom Sonntag waren gut organisiert. Ein ehemaliger Mitarbeiter des serbischen Medienzentrums in Priština leitete ganz offen und auch für Journalisten sichtbar die Aktion und wurde von den französischen Soldaten nicht daran gehindert. Weiter ist bekannt, dass serbische Geheimdienste im gesamten Kosovo aktiv sind. Nach Angaben des ehemalige UÇK-Führers Hashim Thaci, aber auch anderer Quellen im Kosovo, kann der serbische Geheimdienst jederzeit ehemalige albanische Mitarbeiter aktivieren.

Während der serbischen Herrschaft mussten viele Albaner – inoffizielle KFOR-Quellen gehen von bis zu 50.000 aus – im Stile der Stasi Erklärungen unterschreiben, die sie zur Mitarbeit verpflichten. Noch heute haben die Serben diese Albaner in der Hand und können somit im gesamten Kosovo operieren. Die französischen Kommandeure haben offene Grenzen des serbisch kontrollierten Gebietes nördlich von Kosovska Mitrovica nach Serbien hin zugelassen. Faktisch ist dieses Gebiet an Serbien angeschlossen. Fast ungehindert können Menschen und Versorgungskonvois die Grenze überqueren. Es wäre naiv zu glauben, ein Regime wie das von Milošević würde nicht alle Möglichkeiten, die ihm damit offenstehen, nutzen.

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