Das Portrait: Die Vermittlerin
■ Rosemarie Will
Als erste ostdeutsche Juristin am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat sie zwei Jahre lang versucht, die Westler für die Sichtweise der Ostler zu sensibilisieren. Von 1993 bis 1995 half Rosemarie Will dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin, die Urteile des 1. Senats vorzubereiten. Nun soll das SPD- Mitglied Will womöglich selbst Verfassungsrichterin werden – in Brandenburg.
Rosi Will wurde 1949 im sächsischen Berndorf in eine festgefügte Gesellschaft „hineingeboren“, wie sie selbst sagt. Nach dem Abitur studierte sie Rechtswissenschaften an der Humboldt- Universität in Berlin und trat in die SED ein. Daß sie bis zum Schluß in der Partei ausharrte, wird ihr heute von manchen übelgenommen. Angeregt durch die Reformbestrebungen in Osteuropa, sagt sie, habe sie seit 1984 zusammen mit anderen nach einem dritten Weg zwischen Realsozialismus und Kapitalismus gesucht. Sie selbst, als Juristin leidenschaftlich, im Auftritt aber eher spröde, interessierte sich besonders für die Frage, ob es andere Rechtsstrukturen in der DDR geben konnte. Die Vermittlung zwischen verschiedenen Wegen und Sichtweisen sollte ihr großes Anliegen werden. Der dritte Weg, so mußte die neuernannte Dekanin an der Humboldt-Universität 1990 zwar schmerzlich erkennen, war eine politische Illusion. Umso vehementer aber stürzte sich die Mutter zweier Kinder in die Arbeit an der neuen Verfassung, in der sie die progressivsten Elemente aus beiden Teilen Deutschlands zu vereinigen hoffte. Sie saß am Runden Tisch, der einen von Bundesregierung und Bundestag weitgehend ignorierten Verfassungsentwurf vorlegte. Nachdem die Chance vergeben und die beiden ungleichen Teile Deutschlands in der Vereinigung gleichgemacht wurden, versuchte sie über das Kuratorium für eine demokratische Verfassung im Bund deutscher Länder immer wieder die öffentliche Debatte über eine neue Verfassung anzuschieben. Auf Vorschlag der Berliner Bündnisgrünen saß sie zudem in der Berliner Enquetekommission, die eine neue Landesverfassung ausarbeitete. Sowohl der Osten als auch der Westen hätten Defizite, konstatierte die Professorin immer wieder. Eigentlich sei das ein idealer Ausgangspunkt, um voneinander zu lernen. Deshalb ging sie nach Karlsruhe, und deshalb kehrte sie zurück. Ute Scheub
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