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Die Verirrungen deutscher ReformpädagogikVon Athen in den Odenwald

Die Verklärung des antiken Athen und die Überhöhung des deutschen Wandervogels: Ein Essay über den platonischen Weg der deutschen Reformpädagogik

Auf dem Hohen Meißner fand die Jahrhundertfeier der deutschen Jugendbewegung zum Sieg Preußens über Napoleon statt - ein Kontrapunkt zu den militaristischen Gedenkveranstaltungen des Reiches. Bild: dpa

Der evangelische Theologe Gerold Becker, langjähriger Leiter der Odenwaldschule, hat sexuelle Übergriffe nicht nur gedeckt, sondern aus leitender Position heraus aktiv begangen. Wie bei katholischen Einrichtungen ist zu fragen, ob es sich dabei "nur" um eine zufällige Konstellation oder einen systematischen Effekt handelt.

Hinweise auf einen systematischen Effekt liegen vor: In seiner glänzenden Studie über die Gruppe um den Dichter Stefan George, "Kreis ohne Meister", hat der Literaturwissenschaftler Ulrich Raulff angedeutet, dass einer der Urheber der bundesdeutschen Bildungsreform, Hellmut Becker, diese Reform aus dem Geist der Reformpädagogik heraus initiiert habe. Hellmut Becker - den deutschen Landerziehungsheimen eng verbunden, mit Gerold Becker jedoch weder verwandt noch verschwägert - wurde als Sohn des letzten preußischen Kultusministers 1913 geboren, trat 1937 in die NSDAP ein, verteidigte nach dem Krieg den wegen Judendeportationen angeklagten Diplomaten Ernst von Weizsäcker, wurde dann Präsident des Deutschen Volkshochschulverbandes, um 1963 erster Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung zu werden. Raulff urteilt: "Die Erziehung der Bildungsreformer war ein durch und durch elitäres Projekt, ersonnen von sendungsbewussten Angehörigen der Eliten, die für die Massen und massengerecht zu handeln meinten, während sie in Wahrheit an Chiron und Achill dachten und Ideen generalisierten, die großenteils aus der Reformschulbewegung stammten."

Tatsächlich: Die deutsche Reformpädagogik hatte ihre eigene Ideologie. Einer ihrer Pfeiler war die Verklärung des antiken Athen, zumal Platons Gedanken zum (pädagogischen) Eros im Dialog "Das Gastmahl". Noch vor Kurzem erst bestand der Nestor der deutschen Reformpädagogik, Hartmut von Hentig, darauf, dass die Zuneigung des Erziehers zum Zögling "eine Form der persönlichen Liebe" und "unsere aufgeklärte Gesellschaft in dieser Hinsicht kleinmütig" sei.

Doch bevor dem deutschen Weg der Reformpädagogik nachgegangen wird, ist zu klären, was "Reformpädagogik" überhaupt ist. Ihre Prinzipien sind schnell genannt: ein Lernen, das dem Zeitempfinden, den motorischen und spielerischen Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen entspricht; eine Bildung, die das künstlerische Ausdrucks- und Empfindungsvermögen ebenso fördert wie sprachliche und kognitive Fähigkeiten; Lernräume und -orte, die nach außen geschützt und nach innen durch einen starken emotionalen Zusammenhalt zwischen Pädagogen und Schülern gekennzeichnet sind.

Indes: Pädagogische Prinzipien fallen nicht vom Himmel. Sie entstehen in bestimmten gesellschaftlichen Lagen und werden von Menschen in ihrer Lebensgeschichte verwirklicht. Die moderne Reformpädagogik wurzelt in der Kulturkritik. Vor dem Hintergrund romantischer Ideen vom Kind, wie sie von Friedrich Fröbel und dem Maler Philipp Otto Runge entworfen wurden, beginnt das zwanzigste Jahrhundert mit einem publizistischen Paukenschlag hier und einem zunächst kaum bemerkten Ereignis dort. 1900 legte die schwedische Autorin Ellen Key ihr von Friedrich Nietzsches Geist getragenes Buch "Das Jahrhundert des Kindes" vor, in dem sie nicht nur eine "Pädagogik vom Kinde" aus, sondern auch das Recht von Kindern auf gesunde und glückliche Eltern postulierte. Eine Forderung, die die Pazifistin und Feministin auf die Abwege eugenischer Politik führte: Nur physisch und psychisch gesunden Eltern sollte es gestattet sein, sich fortzupflanzen. Drei Jahre zuvor, 1896, war an einem Gymnasium im bürgerlichen Berlin-Steglitz ein Stenografielehrer auf die harmlos anmutende Idee gekommen, mit Schülern Fußwanderungen durch die Wälder rings um Berlin zu unternehmen. Ein Unterfangen, das zur Initialzündung für die weltweit stilbildende deutsche Jugendbewegung wurde - zunächst des "Wandervogels", dann, nach dem Ersten Weltkrieg, der militarisierten "Bündischen Jugend".

Um die Attraktivität des Jugendwanderns zu verstehen, muss man sich die bedrückte Lage junger Männer jener Zeit verdeutlichen. Von bürgerlichen Konventionen eingeschnürt, von Leistungsdruck beschwert und im Erleben ihrer Sexualität verängstigt, suchten sie nach Freiräumen, die sie in der freien Natur und Gruppen Gleichaltriger fanden. Die Literatur dieser Zeit, angefangen bei Thomas Manns "Buddenbrooks" über Hermann Hesses "Unterm Rad" bis zu Frank Wedekinds "Frühlings Erwachen" oder Franz Werfels "Abiturientag", bezeugt dies Elend eindrücklich.

Die Reformpädagogik erwies sich zunächst als Ausdruck eines Unbehagens an seelenlosen, kasernenartigen Schulen, dann aber als Inbegriff einer Hoffnung: darauf, durch Erziehung einen neuen Menschen schaffen zu können, und zwar so, dass das Neue, das jedem Kind innewohnt, vor dem Zugriff der Mächte von Großstadt, Staat und Wirtschaft geschützt und in seiner Entwicklung gefördert wird.

Doch nicht nur die Jugend, eine weitere Gruppe des wilhelminischen Bildungsbürgertums stand unter Druck: Die Gesellschaft des Kaiserreichs verfolgte männliche Homosexualität. Wenig war im Zeitalter des Militarismus so verpönt wie "Triebhaftigkeit", weshalb ein offenes Ausleben homosexueller Wünsche undenkbar war. Wollte man sich zur Homosexualität bekennen, musste man ihr einen besonderen erzieherischen und kulturbildenden Wert zuschreiben.

2009 erinnerte Ang Lees Film "Making Woodstock" an ein Ereignis, das wie kein anderes die populäre Kultur der 1970er-Jahre, ihre Musik, ihre Kleidung und den Widerstand gegen den Vietnamkrieg prägen sollte. Viele Jahre früher, 1913, fand hoch über der Werra, auf dem Hohen Meißner, ein ähnlich bahnbrechendes Treffen statt: die Jahrhundertfeier der deutschen Jugendbewegung zum Sieg Preußens und seiner Verbündeten über Napoleon in Leipzig - entschiedener Kontrapunkt zu den militaristischen Gedenkveranstaltungen des Reiches. Die auf dem Hohen Meißner zu sich findende Jugendbewegung wurde zwar von Jugendlichen getragen, war jedoch von Männern erfunden, die ihre pädagogischen, ihre politisch-erotischen Utopien auf die Jugend projizierten. Zu nennen sind vor allem die zwischen 1868 und 1888, den Jahren der Formation des deutschen Nationalstaats, geborenen pädagogischen Intellektuellen Gustav Wyneken, Hans Blüher, Hermann Lietz, Paul Geheeb und Kurt Hahn. Gustav Wyneken, er gründete 1906 die "Freie Schulgemeinde Wickersdorf", war etwa entscheidend an der Formulierung der 1913 verkündeten kulturrevolutionären "Meißner-Formel" beteiligt: "Die Freideutsche Jugend will nach eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung, in innerer Wahrhaftigkeit ihr Leben gestalten. Für diese innere Freiheit tritt sie unter allen Umständen geschlossen ein." 1920 wurde der bekennend bisexuelle Gustav Wyneken seines Amtes als Leiter von Wickersdorf enthoben, weil er sexueller Kontakte mit zwei Schülern überführt wurde.

Wyneken stand nicht allein. Als Vorkämpfer einer fehlgeleiteten Form homosexueller Emanzipation ist Hans Blüher zu nennen, ein früher Sympathisant und Deuter der Wandervogelbewegung. Der Antisemit und Frauenfeind Blüher verfasste 1912 als einer der wenigen Leser Sigmund Freuds in völkischen Kreisen die Schrift "Der deutsche Wandervogel als erotisches Phänomen", um 1917 in einem weiteren Buch unter Hinweis auf das antike Griechenland zu behaupten, dass nur männliche Homosexualität wahrhaft kulturbildend sei. "Der mannmännliche Eros nämlich beruht auf der Gleichberechtigung, der mannweibliche auf Unterwerfung. […] Diese tiefste Intimität des Weibes - ich meine das Verlangen, vergewaltigt zu werden - wird natürlich von der Ethik verdrängt, aber dadurch wird der Tatbestand nicht aufgehoben. Er wirft vielmehr ein Licht auf Dinge wie Frauenstimmrecht, Frauenbewegung, Mutterrecht, Frauenstaaten, die so, wie sie gewöhnlich gesehen werden, unhaltbar sind."

Weniger am Eros denn an der Ertüchtigung des Volkskörpers war der Gründer des Landerziehungsheims Haubinda, Hermann Lietz, ein geistiger Nachfahr des Turnvaters Jahn, interessiert. Als Anhänger des Antisemiten Paul de Lagarde setzte sich Lietz nicht nur für eine Lösung der "Rassenfrage" ein, sondern ließ 1919 aus Genugtuung über die Ermordung Rosa Luxemburgs die Flaggen über dem von ihm geleiteten Heim hissen. Noch 1996 berief sich Gerold Becker auf Hermann Lietz, der Lehrer als Freunde und Kameraden der Schüler verstehen wollte.

Anders als Blüher und Lietz agierte der einer jüdischen Familie entstammende Protestant Kurt Hahn, der sich nicht von Platons "Gastmahl", sondern von dessen Staatsidee inspirieren ließ. Das von ihm 1920 gegründete Internat Schloss Salem sollte folgenden Prinzipien folgen: "1. Gebt den Kindern Gelegenheit, sich selbst zu entdecken. 2. Lasst die Kinder Triumph und Niederlage erleben. 3. Gebt den Kindern Gelegenheit zur Selbsthingabe an die gemeinsame Sache. 4. Sorgt für Zeiten der Stille. 5. Übt die Phantasie. 6. Lasst Wettkämpfe eine wichtige, aber keine vorherrschende Rolle spielen. 7. Erlöst die Söhne und Töchter reicher und mächtiger Eltern von dem entnervenden Gefühl der Privilegiertheit."

Doch auch Hahn entging der Dialektik des pädagogischen Eros nicht: Zwei Söhne Thomas Manns besuchten reformpädagogische Landerziehungsheime. Klaus Manns Aufenthalt in der Odenwaldschule, die er im Streit mit deren Gründer, Paul Geheeb, verließ, ist inzwischen bekannt. Minder bekannt ist, dass Thomas Manns ungeliebter Sohn Golo im Alter von 14 Jahren in Schloss Salem war, dort seine Homosexualität entdeckte und deshalb von Kurt Hahn an einen Psychiater verwiesen wurde - eine Empfehlung, die Hahn umgehend Thomas Mann mitteilte. Inzwischen will die Forschung herausgefunden haben, dass Hahn selbst homosexuell war, diese Neigung aber, anders als Golo Manns Vater, bei sich bekämpfte.

Folgt nun aus dieser sehr deutschen Geschichte, die vor allem einen missglückten Ausweg aus der sexuellen Repression des Kaiserreiches nachzeichnet, dass "die Reformpädagogik" notwendig männerbündisch, antidemokratisch sowie gemeinschaftsselig ist und daher strukturell Übergriffe befördert? Gewiss nicht! Und zwar, weil bislang weder Reformpädagoginnen wie Maria Montessori oder Minna Specht erwähnt wurden noch die demokratische Reformpädagogik John Deweys in den USA zur Sprache kam.

Dass die sexuellen Übergriffe in der Odenwaldschule den besten Intentionen der Reformpädagogik, wo sie auf der Höhe ihres Gedankens ist, widersprechen, bezeugen Leben und Werk von Janusz Korczak, dessen Pädagogik als oberstes Prinzip "Das Recht des Kindes auf Achtung" kennt und der der Frage, wie man ein Kind lieben soll, ein ganzes Buch widmete. Korczak, der im Warschau der Zwischenkriegszeit ein jüdisches Waisenhaus führte, begleitete in letzter Wahrhaftigkeit die von ihm betreuten Kinder 1942 nach Treblinka.

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10 Kommentare

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  • Zu Montessori: ihre biologistische Schrift "Pädagogische Anthropologie" von 1913 (s. e-booksdirectory.com) und ihre Beziehung zum italienischen Faschismus (Hélène Leenders Buch, besprochen bei klinkhardt.de).

     

    Zu Janusz Korczak: das Buch von Malgorzata Sobecki bzw. die Kritik seiner Mitarbeiterinnen Radlińska und Falska (socialnet.de). Außerdem halte ich es für pervers, sollte der Bericht aus dem Warschauer Ghetto stimmen, Kindern auf dem Weg nach Auschwitz eine heile Welt vorzugaukeln.

     

    Zu John Dewey: Der Name "Laboratory School" verrät schon die naturwissenschaftliche Gesinnung, und auch seine deutschen Lehrer lassen vermuten, dass die bei Wikipedia erwähnte Kritik ihre Berechtigung haben dürfte.

     

    Zu Minna Specht: befürwortete Leonard Nelsons Prinzip der "Führerauslese" http://www.confero.ep.liu.se/issues/2014/v2/i1/140616/confero14v2i1a.pdf

     

    Wer behauptet, sich mit Pädagogik und/oder Psychologie auszukennen, und gleichzeitig leugnet, dass die Leitfiguren in ihrer übergroßen Mehrheit perversen Strömungen, Theorien und Praktiken frönen, und in ihrem Rest (Piaget) eine gefährliche Nähe dazu aufweisen, ist nicht ernstzunehmen.

  • MF
    Markus Fresdorf

    Interessante Gedanken über ein mir bisher weitgehend unbekanntes Gebiet (Reformpädagogik und ihre Geschichte) in Bezug zur Jugendbewegung (von der ich schon eher etwas wußte). - Klingt alles weitgehend schlüssig für mich, es gibt aber einen Knackpunkt. Ich zitiere einen Satz:

    ...

    Wenig war im Zeitalter des Militarismus so verpönt wie "Triebhaftigkeit", weshalb ein offenes Ausleben homosexueller Wünsche undenkbar war.

    ...

    Da frage ich mich, ob Homosexualität und Triebhaftigkeit gleichzusetzen sind, andere Sexualität hingegen nicht. Und ich frage mich, wohin ein offenes Ausleben homosexueller Wünsche historisch stattdessen geführt hätte und noch führen wird. Was würde der Paradigmenwechsel - in dem wir uns möglicherweise gerade befinden - bewirken?

    Einwenden möchte ich auch, dass es männerbündisches Verhalten vielleicht doch in unterschiedlicher Form zu allen Zeiten gegeben hat. Im Mittelalter z.B. auch im Rittertum, wobei man da einen bestimmten Tugendkatalog pflegte und der Frauendienst eine Rolle spielte. Welche Ventile ermöglichten es damals, weniger unter Druck zu stehen?

  • VF
    Verein für Totale Transparenz von Prinz Prinzipal

    So also steht es. Und die moral von der geschicht? Glaube deinem oberlehrer nicht, wenn er verspricht, er gäbe ein gericht, das bringe licht und klare sicht der dinge, wenn doch nur jeder ringe um die gunst und gönnerhaftigkeit des Gutsherrn von Wicht.

  • DS
    dr.friedrich schreyer

    Reformpädagogik - Internate - Pädophilie!

     

    Mir scheint, dass einige mit der Pädophilie die Reformpädagogik platt machen und die unsägliche sexuelle Gewalt auch noch irgendwie den 68ern zuschreiben wollen.

     

    Die meisten haben eine reformpädagogische Schule noch nie von innen gesehen.Welche/r Journalist/in hat sich in den letzten 15 Jahren mal die Zeit genommen, eine Woche z.b. in der Odenwaldschule zu leben und eine Reportage zu schreiben. Heide Platen hat - sich wohltuend abhebend von allen anderen Zeitungen - wenigstens ein paar Schüler mal gesprochen, sich wenigstens ein paar Stunden mal Zeit genommen.Aber das ist doch noch lange nicht das, wozu ein/e Schüler/in der Odenwaldschule sich wiedererkennen würde.

     

    Und wo sind die Gespräche mit den Lehrer/innen von heute?

     

     

    Manche Eltern würden sich wundern, wenn sie es denn wüssten, dass in den besonders progressiven bepreisten Grundschulen, in Forscherwerkstätten für Kinder, sich genau ein Teil dieser Reformpädagogik zeigt.

     

    Wenn ein

  • P
    Publicola

    Omertà – Schweigekartell, Schreiberkartell

    Gerold Becker, Enja Riegel, Reinhard Kahl

     

    Gerold Becker, Leiter der Odenwaldschule, erfreute sich uneingeschränkter Verehrung, er landete irgendwann im Hess. Institut für Bildungsplanung u gilt heute als ein wichtiger Exponent der deutschen Pädagogik. Etliche Schüler habe Becker in inflationärem Umfang sexuell missbraucht. Zudem habe Becker exzessiven Konsum von Alkohol u Drogen unterstützt. (FR 17.11.1999)

     

    »Enja Riegel … hat sich gestern gegen Vorwürfe gewehrt, die im Zusammenhang mit einem Missbrauchsfall aus dem Jahr 1989 laut geworden sind. Sie soll nach der Aufklärung nicht hart genug gegen den Täter Hajo Weber vorgegangen sein. ... Die frühere Schulleiterin bestätigte …, dass sie Fotos von ihm in dem 1997 erschienenen Buch "Das andere Lernen" verwandt habe. Mitautor war Gerold Becker.« (FAZ 12.03.2010)

     

    Reinhard Kahl 2004: » .. [Enja Riegel] suchte im Apparat der Schuladministration nach Nischen .. Sie fand .. Platz im..Hessischen Landesinstitut für Pädagogik. .. Langsam kristallisierte sich .. ein Ziel: Schulleiterin werden .. Vielleicht hört sich manche Geschichte über die Schulleiterin so an, als sei sie selbstherrlich. Das stimmt, aber nur zu ungefähr 30%. .. Enja Riegel ließ sich jahrelang von Gerold Becker beraten, kritisieren u korrigieren. Bald beriet Gerold Becker auch Lehrteams u dann über 10 Jahre die ganze Schule. Diese Korrekturinstanz hat viele Entscheidungen u Verhaltensweisen verbessert u über manchen blinden Fleck hinweg geholfen. Ohne sie wäre die Schule nicht geworden, was sie ist.«

  • RP
    Rita Pavoni

    Sehr geehrter Herr Brumlik,

     

    da zeigen Sie einen ganzen Artikel lang auf, dass die Ideologie der deutschen Reformpädagogik teils sehr fragwürdige Wurzeln hat und dass es dort "männerbündisch, antidemokratisch und gemeinschaftsduselig" zuging. Am Ende relativieren Sie das dann. Es sei nicht so, Sie haben ja nicht auf Montessori, Specht oder Dewey eingehen können. Das suggeriert fast, als ob jetzt Montessorischulen weniger Gefahren böten. Aber so haben Sie das natürlich nicht gemeint? Auf die Waldorfpädagogik sind Sie übrigens auch nicht eingegangen, was ich merkwürdig finde, weil deren Wurzel ja nun auch fragwürdig sind, aus der selben Zeit wie z. B. Lagarde und Hahn stammen, und deren interne Strukturen zutiefst autoritär geprägt sind.

     

    Im Moment wird klar, dass weder scheinbar progressive Reformpädagogen noch sexueller Enthaltsamkeit verpflichtete Padres der Versuchung widerstehen können, Machtpositionen auszunutzen. Es sind Ausnahmefälle, aber verdammt viele in kürzester Zeit. Es fällt auf, dass es tatsächlich in geschlossenen Welten leichter fällt, Übergriffe geheim zu halten. Die Loyalität der Eltern und Kinder, die dankbar sind, einen Platz in diesen so begehrten Einrichtungen erhalten zu haben, geht sehr weit. Die Gruppendynamik, die Überbringer der Botschaft lieber auszugrenzen, als das Gesagte ernst zu nehmen, trägt zur Abschottung bei. Es gibt kaum eine Kultur der Kritik, denn nach außen hin muss eine rigide Abgrenzung stattfinden. Der Zauber der Reformpädagogik besteht nur, wenn sie "besser" ist. Wenn klar wird, dass auch dort nur "mit Wasser" gekocht wird und auch dort unfähige, übergriffige Personen tätig sind, schwindet das Elitäre und das Einzigartige.

     

    Ich bin gespannt, wer sich nun noch "outen" wird. Auf diese Katharsis haben viele Einrichtungen vielleicht schon lange hingesteuert.

  • M
    Mignon

    "... seine Homosexualität entdeckte"? Unsinn. Vielmehr: homosexuell (gemacht) wurde.

  • P
    Publicola

    MISSBRAUCH - MACHT - APOTHEOSE - NULL VERANTWORTUNG

     

    Der gemeinsame Nenner der Sexualvergehen in den Erziehungseinrichtungen der Kirche und der modernen Reformpädagogik liegt im Missbrauch der gesellschaftlich zugeschriebenen und so der Gemeinschaft aufoktroyierten Macht.

     

    Woraus besteht die Macht im Falle der Sexualvergehen?

    Wer ist zur Verantwortung zu ziehen ?

     

    Im Falle der modernen Reformpädagogik (Odenwaldschule) besteht die Macht in der erziehungswissenschaftlich-regierungsamtlich zugewiesenen Anbetung realitätskonträrer Ansichten eines Kartells über Jugendliche u. Schüler schlechthin, mit dem Ziel der Vernichtung der professionellen Distanz zwischen Lehrer und Schüler.

     

    Eine Anbetung, die auf den Weg gebracht wurde durch weite Teile der schüler- und unterrichts-erfahrungslosen universitären Pädagogik.

     

    In der Folge erfolgte eine um sich greifende Apotheose durch Lehrerverbände wie die GEW u. Grundschullehrerverband, pädagogische Publikationen, Hessen-Pädagogik, Bertelsmann-Stiftung, NRW-Pädagogik (Rau-Denkschrift), bis hin zur kultusministeriell verantworteten. Monumentalisierung dieser realitätsleugnenden Prinzipien in sämtlichen Richtlinien aller Bundesländer.

     

     

    DIE MENSCHEN STÄRKEN, DIE SACHEN KLÄREN

    „Wenn überhaupt,“ sagte Hentig der SZ, „dann könnte mal ein Schüler den Lehrer Becker verführt haben.“

    http://de.wikipedia.org/wiki/Hartmut_von_Hentig

  • AB
    Alexina B

    Herr Brumlik, ich danke zunächst mal dafür, dass ein Pädagoge es dieser Tage doch noch einmal für sinnvoll befunden hat, vom Lehrstuhl herab in die Aktualität niederzusteigen. Wahrhaftig, das kommt selten genug vor, was aber nicht daran liegt, dass es so wenig zu sagen gäbe bezüglich Erziehung und Bildung und deren Institutionen, denn das es dazu mehr als nur einiges zu sagen gäbe wissen wir wohl alle, selbst auf den Seiten der TAZ. Sogar bei BILD wird man das wissen...

     

    Ich finde es weiterhin so etwas wie "erfrischend", dass man eine gewisse Partei für Reformpädagogiken aus dem Text herauslesen kann, sowie die Intention zu sagen, dass (entweder) nicht in allen reformpädagogischen Lehranstalten Pädophilie praktiziert wird (oder, dass sich das nicht zwangsweise aus den Prinzipien dieser Schulen ableiten lässt, weil es immer einen KONTEXT gibt und, weil Individuen je nach Gutdünken von allen "offiziellen" Prinzipien abweichen können, denn davor schützen Prinzipien niemals...). Das alles nicht, weil ich Reformpädagogiken gut fände (nur relativ), sondern weil sie den Raum des Problems damit durchaus gut erweitern.

     

    In einem doch so recht ungewöhnlich langem Artikel hätte ich es aber/daher für sehr passend gefunden, die "Normalität" nicht zu vergessen, d.h. all jene Schulen, die man Regelschulen nennt (also nicht-reformpädagogisch, nicht-krichlich, sondern staatlich). Ich würde nämlich behaupten, dass an diesen Schulen, an den "normalen", ähnlich viel Pädophilie betrieben wird, wie an allen anderen möglichen Schulen, nur - und deswegen ist es absolut kein unwichtiges Thema - gibt es von "Normalschulen" viel mehr als von kirchlichen und/oder "alternativen" (zumindest in Deutschland).

    Dazu sei gesagt: Pädophilie beginnt nicht erst bei sexuellem Verkehr mit Kindern, etc., sondern beim Antatschen (zb. Sportunterricht) und bei vielem mehr, das letztendlich immer subjektiv ist (aber sehr selten von Interesse für die Bildungsinstitutionen...).

     

     

    Ich für meinen Teil will dazu sagen, dass ich bisher noch keine Schule gefunden habe (und ich habe mehrere, auch nach meinem Schulabschluss, besucht, weil ich Pädagogikstudent bin...), an der mir nicht Schüler hätten verraten können, wer an ihrer Schule ins pädophile Raster fiele. Ich habe wirklich noch keine solche Schule finden können. Ich habe auch noch nie einen Menschen getroffen, der eigenen Aussagen zufolge nicht an einer Schule gewesen ist, an der pädophile Lehrer "unter der Hand bekannt" waren; und ich reise viel mit Mitfahrgelegenheiten (Backpacking), habe darüber gesprochen mit Arbeitslosen, Krankenschwestern, Müllmännern, Regisseuren, Anwälten, Tauchlehrern, Controlling-Managern, Reifenverkäufern, Heilmedizinern, Unzuordnungsbaren, Lehrern...und keiner von ihnen konnte mir sagen: "Nein, an meiner Schule gabs das nicht! Nie hab ich das von meiner Schule gehört!". KEIN EINZIGER!!! Alter der "Befragten"? Von 14 bis 63 habe ich Menschen gefragt, und keiner konnte mir ein Nein sagen...

     

    Sie???

     

    ---

     

    Desweiteren halte ich es schon seit längerem für fragwürdig, mindestens diskussionswürdig, zwischen "homosexueller" und "heterosexueller" Pädophilie zu unterscheiden (es gibt zudem nicht nur zwei Sexualitäten...): es ist eben Vergewaltigung, Nötigung, wie auch immer man es nennen will, aber das Attribut einer gender-spezifischen Sexualität ist bei Pädophilie nicht nur überflüssig, sondern falsch (wenn überhaupt: Pädophilie ist eine EIGENE Sexualität, nämlich, wie auch sie das beschreiben, DER EROS MIT KINDERN...) und dazu unangebracht bezüglich eines Tatbestandes gegen Kinder, weil man damit den Anschein erweckt, als mache es IRGEND einen Unterschied, ob ein Pädophiler homo- oder heterosexuell ist.

     

    Denn wer hat von dieser Unterscheidung den Nutzen? Yellow Press, Hetzer, falsche Neugier, Propheten, nochmal Hetzer, Priester, schon wieder Hetzer...

     

    Und von welchen Rücken getragen? Geschändete, Homosexuelle (so gesehen alle nicht-hetero Gender, nicht nur Homos) und sonstige, die man gerade noch mit hineinstricken kann. Den Vergewaltigten aber nützt es nichts.

  • MG
    M. Gronemeyer

    In diesem Essay von Brumlik zeigt sich wieder einmal das ganze Elend der akademischen Pädagogik, die außer Historie und Histörchen zur Problematik des sexuellen Missbrauchs nicht viel beizutragen hat. Mit der Vermischung von Pädophilie und Homosexualität katapultiert sich Brumlik in voraufgeklärte Zeiten zurück. Fakt ist, dass Pädophilie eine sexuelle (Fehl-)Orientierung ist, die sich ihre Gelegenheiten sucht - und sie in ideologiegeleiteten, und damit Aufklärung vermeidenden, Systemen und Institutionen findet.