■ Die Umweltpolitik der Regierung muß besser werden: Neue Allianzen für die Umwelt
Die Erfahrungen der letzten Monate lehren: Einen Automatismus „Rot-Grün gleich bessere Umweltpolitik“ gibt es nicht. Eine gute Umweltpolitik will hart erarbeitet und manchmal auch gegen Widerstände erkämpft sein. Vor allem aber muß sie handwerklich solide gemacht werden. Ein fester politischer Wille, der nicht jedem Zeitgeistlüftchen nachgibt, Beharrlichkeit im Verfolgen von Zielen und – vielleicht das Wichtigste – ein stetes Werben um Bündnispartner in Gesellschaft und Wirtschaft sind in der Umweltpolitik heute ein absolutes Muß. Auch Idealismus schadet keineswegs. Im Gegenteil: Es gibt keine glücklichere Verbindung als die von kühler Professionalität und einem Engagement, das von Herzen kommt.
Wenn die Regierung umweltpolitische Glaubwürdigkeit gewinnen will, muß sie jetzt Gestaltungswillen zeigen, und zwar in ihrer Gesamtheit. Jenseits der aktuellen Diskussionen um Jürgen Trittins umweltpolitische Performance gilt ein simpler Zusammenhang: Eine Konstellation, in der allein der Umweltminister für die Sache der Ökologie steht, die anderen Kabinettsmitglieder aber gegenteilige Signale aussenden, wird nicht zum Erfolg führen.
Sicher gibt es keine Patentrezepte für den umweltpolitischen Erfolg, aber einige Orientierungspunkte gibt es schon.
Der Klimaschutz muß jetzt zu einem wirklichen Schwerpunkt der Regierungsarbeit werden. Kaum ein Thema eignet sich so sehr für die systematische Verknüpfung von umwelt-, beschäftigungs- und technologiepolitischen Zielen. Die Koalition hat beschlossen, die Kohlendioxidemissionen um 25 Prozent abzusenken. Da bleibt noch eine Menge zu tun. Vor allem aber: Es gibt Verbündete, die von einer wirksamen Klimaschutzstrategie profitieren würden. Die reichen von der Bauwirtschaft über Hochtechnologieunternehmen, Forschungseinrichtungen und Einzelgewerkschaften bis hin zu Umweltverbänden und Nord-Süd-Initiativen. Nichts ist politisch durchschlagkräftiger als das Zusammenspannen von ethischen („Klimaschutz als praktizierte Zukunftsverantwortung“) und wirtschaftspolitischen Zielen („Jobs und Technologieexport durch Klimaschutz“). Es ist schwer vorstellbar, daß der Kanzler sich einer solchen Win-win-Strategie in den Weg stellen würde. Eher ist das Gegenteil zu erwarten. Wann setzen sich Franz Müntefering, Werner Müller und Jürgen Trittin zusammen, um eine nationale Klimaschutzstrategie zu erarbeiten? Dabei ginge es endlich mal um Einstieg statt um Ausstieg.
Das wichtigste politische Thema für Umweltverbände und die ökologisch sensible Öffentlichkeit in Deutschland ist nicht die Ökosteuer, auch nicht der schnelle Atomausstieg. Es ist der Naturschutz, der Erhalt von Landschaftsvielfalt, von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen. Auch hier lassen sich, selbst wenn es auf den ersten Blick undenkbar erscheint, neue Allianzen schmieden. Der klassische Konflikt zwischen Naturschutz und Landwirtschaft kann und muß überwunden werden. Für die Lösung des Konflikts bringt die Regierung durchaus gute Voraussetzungen mit. Sie ist weniger anfällig für Einflüsterungen aus dem Bauernverband, kann also mit der Landwirtschaft in einen rationalen Prozeß des Gebens und Nehmens eintreten. Wann setzen sich Karl-Heinz Funke, Werner Müller und Jürgen Trittin zusammen, um über das Bundesnaturschutzgesetz, über Agrartourismus, nachwachsende Rohstoffe und die ökologische Orientierung von Ausgleichszahlungen zu sprechen? Sie könnten zu einem wirklichen Naturschutz-Triumvirat werden.
Das Nachhaltigkeitskonzept bietet eine einmalige Chance zur Konsensstiftung in unserer Gesellschaft. Es geht nicht um Harmoniesauce. Politik hat die Aufgabe, den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen die Möglichkeit zu geben, ihren Beitrag in eigener Verantwortung einzubringen. Die Regierung handelt fahrlässig, wenn sie den nationalen Nachhaltigkeitsdialog nicht bald einleitet. Keine Sorge, möchte man den Bedenkenträgern entgegenrufen, Politik wird nicht entmachtet, wenn sie den gesellschaftlichen Sachverstand klug nutzt. Entmachtet wird aber über kurz oder lang, wer die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Programm und realem Handeln nicht glaubwürdig schließt. Reinhard Loske
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