piwik no script img

■ Die Tigerstaaten Südostasiens sind in die Krise geratenAus Raubtieren wurden Pflegefälle

Noch bis vor wenigen Wochen galten die südostasiatischen Tigerstaaten als Wirtschaftswunderländer, bei denen es nur weiter aufwärts gehen konnte. Doch aus den Tigern, die hierzulande Standortängste schüren, sind unversehens Pflegefälle geworden. Anfang Juli ließ sich die Krise in Thailand nicht länger ignorieren. Die Regierung mußte die Landeswährung Baht vom Dollar abkoppeln, der Baht verlor darauf rund ein Viertel seines Wertes. Seitdem ist im erfolgsgewohnten Südostasien nichts mehr, wie es war. Während der Internationale Währungsfonds (IWF) inzwischen für Thailand das zweitgrößte Rettungspaket seiner Geschichte schnüren mußte, gaben auch die Währungen Malaysias, der Philippinen und Indonesiens massiv nach.

Südostasiens Volkswirtschaften haben ihren Vertrauensvorschuß verloren. Es wird nun deutlich, daß große Leistungsbilanzdefizite mit kurzfristigen Krediten finanziert wurden. Das Kapital floß in die Immobilienspekulation statt in produktive Sektoren. Infrastruktur und Bildung wurden vernachlässigt, hinzu kamen Korruption und mangelhafte Bankaufsicht. Die früheren Billiglohnländer haben zudem Schwierigkeiten, von lohn- zu technologieintensiver Produktion zu wechseln.

Malaysia und Indonesien geben Spekulanten die Schuld am Währungsverfall. Doch Spekulation ist Folge und nicht Ursache der hausgemachten Krise. Wie sich die Koppelung der Währungen an den Dollar vom Vorteil (zu Zeiten eines schwachen Greenback) bei dessen Erstarken zum Nachteil wandelte, so wurde mit der Krise auch die Globalisierung für Südostasien zum Nachteil. Wie keine andere Gegend der Welt hatte die Region von der Globalisierung profitiert. Exporte, ausländische Investitionen und spekulatives Kapital haben das Wachstum genährt.

Der jetzige Vertrauensverlust ist auf den globalisierten Märkten fatal. Investoren und Spekulanten ziehen Gelder ab. Die früheren Billiglohnindustrien sind schon zu den neuen Weltmarktkonkurrenten wie Vietnam oder China gezogen.

Um das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen, wird die Region an einer Anpassung an globalisierte Mindeststandards, zum Beispiel bei der Bankaufsicht, wohl nicht vorbeikommen. Thailands IWF-Programm bietet die Chance notwendiger Korrekturen. Es ist jedoch wieder sozial blind verfaßt worden. Während sich das mächtige Militär Anfang des Monats den ersten Flugzeugträger der Region leistete, trifft die vom IWF verordnete Erhöhung der Mehrwertsteuer vor allem die arme Bevölkerungsmehrheit. Sven Hansen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen