Die Tabak-Lobbyistin Marianne Tritz: Ein frisches Lächeln fürs Nikotin
Eine Grüne als Lobbyistin für die Tabakindustrie kann nur gut für das Image sein, werden sich die Manager aus der Tabakindustrie gedacht haben.
Marianne Tritz lächelt vom Podium der Pressekonferenz herunter. Rechts und links von ihr sitzen Tabakbosse, ein bezahlter Moderator umgarnt seine Auftraggeber mit sanften Stichworten und bringt damit die Hauptstadtkorrespondenten auf. "Was soll das hier werden!", wettert einer. "Fragen stellen können wir selbst!" Die Tabakbosse schauen verdattert. Jetzt wollen sie sich ganz neu zeigen und sind gleich wieder in der Schmuddelecke. Marianne Tritz wirkt ruhig. Sie schaut sich das erst mal an hier.
Sie soll die Zigarettenindustrie zurück ins Lobbygeschäft bringen. Weil sie eine Grüne ist und die Grünen den Qualm bekämpfen, hat sie es zumindest geschafft, dass die Gründung des Deutschen Zigarettenverbands nicht ignoriert wird. Viele Grüne wunderten sich, harte Rauchgegner forderten den Parteiausschluss.
Tritz, 44 Jahre, Nichtraucherin, findet es natürlich, dass sie aus dem Büro des grünen Fraktionschefs in die Zigarettenindustrie gewechselt ist. Sie sagt, sie finde die Debatte ums Rauchen absolut spannend. "Ich mache seit über 25 Jahren Politik und organisiere gesellschaftliche Dialoge." So wie sie gegen das Atommülllager in ihrer Heimat gekämpft habe, so wolle sie diskutieren, dass Raucher ausgegrenzt werden. Wie sie so den Bogen spannt vom Wendland nach Berlin und dabei lächelt, könnte man fast meinen, auf dem Podium säße die Marianne von der Ini und die Herren daneben gehörten zur Bäuerlichen Notgemeinschaft Lüchow-Dannenberg. Sogar die alte Handynummer steht auf Tritz neuer Visitenkarte, sie endet mit der Zahl 1004, das war die Bohrstelle, an der der Salzstock Gorleben auf seine Eignung als Lager für Atommüll untersucht wurde.
Bei ihr zu Hause im Wendland sehen manche eine andere Kontinuität. Der Castor-Gegner Jochen Stay zum Beispiel erzählt von der Marianne Tritz, die sich schon lange von der Bewegung entfernt habe. Die, die anders als die meisten Grünen nach dem rot-grünen Atomkonsens nicht aus dem grünen Kreisverband ausgetreten sei. Die, die nach ihrem Wechsel in den Bundestag 2002 immer mehr so geredet habe, wie sie reden im Raumschiff Berlin. "Und da sucht sie sich jetzt eben einen Job", sagt Stay lapidar.
Tritz erzählt, dass sie von der Industrie angesprochen worden sei. Neuer Job, neuer Verband, sie kann selbst gestalten. Es klingt nicht schwärmerisch, sondern nüchtern. Wieder so, als ob sie sich das erst mal anschauen wolle. Diese Haltung ist schlau. Die Industrie braucht eine, die ein Stück auf Distanz ist zum eigenen Laden. Denn dann ist sie wieder ein Stück näher an den Politikern und den Journalisten dran, die der Tabak für seine Sache braucht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben