: Die Subventionsleichen werden ausgegraben
■ Die Subventionen für VW waren nur der Anfang: Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf droht der EU-Kommission eine „Grundsatzdebatte“ an
Dresden/Hamburg/Berlin (dpa/ taz) – Die Milliardengräber im deutschen Osten sorgen für neuen Streit. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf wirft der EU- Kommission Rechtsbruch vor. Bonner Parteifreunde, die es besser wissen, gehen in Deckung. Friedhelm Ost, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Deutschen Bundestag, mahnt dringend zur Mäßigung. Seit sowohl die EU- Kommission als auch das Land Sachsen wegen 140 Millionen Mark Subventionen vor den Europäischen Gerichtshof ziehen wollen, schwant dem ehemaligen Bonner Regierungssprecher nichts Gutes. Er weiß, daß noch ganz andere ostdeutsche Subventionsleichen im Keller liegen. „Ich hoffe“, sagte er im DeutschlandRadio, „daß man jetzt nicht gleich mit zwei Klagen vor den Europäischen Gerichtshof zieht, sondern nochmal versucht, einen Kompromiß zu finden, der sich dann auch positiv auf andere anstehende Entscheidungen auswirken könnte.“
Biedenkopf dagegen doziert im heutigen Spiegel, es sei nicht Aufgabe der EU-Kommission, „Politik zu machen“, und droht eine professorale „Grundsatzdebatte über die Aufgaben und die Legitimation der Kommission“ für den Fall an, daß sie bei weiteren Subventionsentscheidungen „auch nur den Eindruck erwecke“, sie wolle ihren Ermessensspielraum zum Abstrafen nutzen – die Beschwerde gegen die VW-Subventionen jedenfalls widerspreche „Recht und Gesetz“.
Doch zu einer solchen Grundsatzdebatte könnten die Brüsseler noch einige heiße Argumente beisteuern. Der Spiegel erinnert an die Kunststücke, mit denen die Bonner CDU-Regierung den Verkauf des Chemiekomplexes „Buna“ an den amerikanischen Konzern Dow Chemical in Brüssel genehmigungsfähig gerechnet hatte. Die Kommission wollte zum Beispiel partout nicht einsehen, daß auch die Subvention der Energiekosten unter die Ausnahmekriterien für den Aufbau Ost fallen sollten, nur weil außer der überflüssigen Produktion von chemischen Grundstoffen auch noch ein ebenso überflüssiges neues Braunkohlekraftwerk gebaut werden mußte. Also wurden die überhöhten Strompreise aus der Zuschußliste gestrichen und in die Ausgleichszahlungen für Betriebsverluste in den ersten fünf Jahren verschoben. Genau so lange nämlich zahlt Dow über zehn Pfennig pro Kilowattstunde an die Veba-Tochter VKR, die im Kraftwerk in Schkopau teure Braunkohle Ost verfeuert. Die Verluste, die deswegen anfallen, übernimmt der Bund; wenn er das nicht mehr darf, sinkt der Strompreis auf erträgliche fünf Pfennig – eine versteckte Beihilfe von gut 800 Millionen Mark.
Dagegen sind die 142 Millionen Mark, die Sachsen an VW ohne Bewilligung überwies, ein Kleinigkeit. Biedenkopfs Alleingang, warnt Friedhelm Ost, könnte noch „fürchterliche Schwierigkeiten“ bereiten. Erkennbar ist die Geduld der Brüsseler zu Ende, die für den Chemiekomplex Buna runde 9,5 Milliarden Mark Subventionen genehmigt hatten. Noch ist kein einziges Faß der ostdeutschen Poly- Olefine verkauft, die beinahe überall billiger hergestellt werden könnten. Wichtiger als Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof sei es daher, die Situation der ostdeutschen Länder „viel deutlicher“ darzustellen, meint Ost. nh
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