: Die Stunde der Zahlen
■ Runde Eins in der Auseinandersetzung um den Landeshaushalt 1989: CDU erläutert Grobeckers Planungen
Jedes Jahr nach der parlamentarischen Sommerpause spielt sich das gleiche Ritual ab. Am Morgen stellt Finanzminister Claus Grobecker dem Haushaltsausschuß Eckwerte des kommenden Haushaltes vor. Sofort nach der Sitzung unterrichtet CDU -Finanzexperte Günter Klein die geladene Presse über die zuvor erfahrenen Zahlen und liefert den JournalistInnen erste Einschätzungen, die sofort im Anschluß vom auch nicht pressescheuen Finanzsenator zurückgewiesen werden. Gestern war es wieder soweit.
Eineinhalb Stunden benötigte Klein dieses Mal, um den JournalistInnen einen DIN-A4-Zettel mit 450 Zahlen zu erläutern, die hinter Worten wie Nettokredit-Brutto -Investitionsquote aufgereiht waren. Fazit: Der 1989er Landeshaushalt soll sowohl in den Gesamtausgaben (5,4 Mrd.) als auch in der Neuverschuldung (979 Mrd.) Mark seinem Vorgänger entsprechen. Da Personalausgaben und Zinslast steigen, sollen die Investitionen um 234 Mio Mark gesenkt werden. Kleins Wertung: „Die negative Tendenz setzt sich fort. Der Haushalt muß
durch behutsame Weichenstel lungen verbessert werden.“ Und wo? Klein kritisierte, daß die Aufgabenkritik des Senats, soll heißen das Sparen in den Behörden, noch nicht umgesetzt worden sei, und riet, mit einem „Gesamtkonzept“ verstärkt Gelder aus dem EG -Strukturfonds zu werben.
„Ich habe Brüssel überhaupt erst entdeckt, als ich 1983 nach Bremen kam“, wollte Grobecker auf seiner Pressekonferrenz von einer Vernachlässigung der Drittmittelwerbung nichts wissen. Ansonsten ärgerte sich der Senator nur über Kleins Bemerkung, Bremen werde von Bonn ausgehalten: „Wir werden nicht ausgehalten, sondern klagen unsere Rechte ein.“ Und weil dieses Verfahren noch immer nicht abgeschlossen und Bremen an den Beratungen über einen Strukturfonds nicht einmal beteiligt ist, hat Grobecker zusätzliche Mittel in bislang ungewisser Höhe, die Bremen für „besondere Haushaltsnotlage“ und aus dem neuen Strukturfonds erhalten wird, aus der bisherigen Finanzplanung herausgelassen.
hbk
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