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■ Die Sprache einer KriegsparteiNach dem UN-Militärschlag gegen Clanchef Aidid, als dessen Folge vier Reporter gelyncht wurden, wird der Blauhelm-Einsatz in Somalia immer fragwürdiger.

Die Sprache einer Kriegspartei

Haben die UNO-Truppen in Mogadischu denn nun eigentlich die Lage unter Kontrolle? „Sie kontrollieren ganz sicher den Luftraum“, beantwortete CNN-Reporter Bob Reynolds ganz ernsthaft die Frage des Moderators der US- Fernsehanstalt. Um die Luftüberlegenheit ist es allerdings im somalischen Bürgerkrieg nie gegangen, die Kämpfe finden am Boden statt. Und dort hat sich die Situation derart zugespitzt, daß die ausländischen Militärs bestimmte Teile der somalischen Hauptstadt mittlerweile überhaupt nicht mehr zu betreten wagen. Doch, es sei beabsichtigt, die Viertel „zurückzuerobern“, teilte UNO-Sprecher David Stockwell in der letzen Woche Journalisten mit. Es sei nur noch nicht entschieden, wie.

Am Montag erklärte eine UN- Sprecherin, der Einsatz von US- Kampfhubschraubern gegen Ziele im Süden Mogadischus sei als „Antwort auf die jüngsten Attacken gegen UN-Soldaten“ zu verstehen. Das ist nicht die Sprache einer neutralen, friedensstiftenden Organisation, das ist die Sprache einer am Krieg beteiligten Partei. Mehr als ein halbes Jahr nach Beginn der Militärintervention in Somalia werden die UN-Soldaten immer tiefer in die Konflikte verstrickt. Von übergeordneten Zielen, von einer von Somalis organisierten friedlichen Neuordnung des Landes, vom Aufbau der Infrastruktur und selbst von humanitärer Nothilfe ist nur noch selten die Rede. Es geht, bestenfalls, um das Halten von Stellungen, deren Räumung – wie sich jetzt in der Innenstadt Mogadischus gezeigt hat – sofort die Verhältnisse der Zeit vor der Intervention wieder herstellt.

Öffentliche Stellungnahmen der UNO sind kaum dazu angetan, Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit zu mindern: 13 bewaffnete Anhänger von General Aidid seien bei dem Bombardement am Montag ums Leben gekommen. Opfer unter Zivilisten habe es nicht gegeben. Woher will die UN-Sprecherin das wissen? Anwohner sprechen von über als 80 Toten – und kein Ausländer hatte nach dem Angriff die Möglichkeit, sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen. General Mohammed Farah Aidid, der von der UNO inzwischen als Verbrecher gesucht wird, ist von den Repräsentanten der UNO in Mogadischu zum Haupthindernis auf dem Weg zu einer friedlichen Lösung der Konflikte in Somalia erklärt worden. Aidid hat sich tatsächlich mehrfach Kompromißvorschlägen verschlossen. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß seine Anhänger bewaffnet sind und von ihren Waffen auch Gebrauch machen. Aber die Konzentration auf einen Hauptschuldigen an der Misere läßt außer acht, daß auch andere Bürgerkriegsfraktionen nach wie vor über militärisches Gerät verfügen und das Tauziehen um die Macht weitergeht. Jedoch wird jeder Gewaltakt ihm zugeschrieben. Die Möglichkeit, daß politische Gegner des Generals dafür verantwortlich sein könnten, die das Feuer schüren wollen, wird von UN-Repräsentanten nicht einmal erörtert. Wo einer als Schurke ausgemacht ist, erscheinen seine Gegner als Helden. Die Neutralität der UNO wird inzwischen im Gespräch auch von vielen Somalis, die keine Anhänger des Generals sind, angezweifelt.

Was, wenn Aidid gefangen wird? Auf welcher Rechtsgrundlage kann man ihn festhalten, wo könnte er vor Gericht gestellt werden, wer wäre berechtigt, ihn zu verurteilen? Somalia ist nach wie vor ein rechtsfreier Raum. Es gibt keine Regierung, keine Legislative, keine Verwaltung, keine Gefängnisse – nur eine heillose Verwirrung der Begriffe. Somalische Repräsentanten, UNO-Vertreter und ausländische Politiker drängen auf einen Aufbau der Polizei – wo doch die Aufgabe einer Polizei nur ist, einen Tatbestand aufzunehmen und an Gerichte zur Entscheidung weiterzuleiten. Wo derartige Institutionen fehlen, werden Polizisten zu nichts anderem als Milizen, die mit Uniformen ausgestattet wurden.

Auch die Legitimität von UNO- Aktionen insgesamt und von Handlungen einzelner Soldaten krankt daran, daß in Somalia das Gerüst eines Rechtssystems und eines gültigen Gesetzeswesens fehlen. Wer kontrolliert die Vereinten Nationen? Wer bestimmt, ob bei einem Einsatz wie der Bombardierung der angeblichen Kommandozentrale Aidids die Verhältnismäßigkeit der Mittel beachtet wurde? Sollte dem nicht so sein – wer könnte die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen?

Die Militärintervention der UNO hat Mogadischu nicht sicherer gemacht. Die Bevölkerung hat nach wie vor berechtigte Angst vor Plünderungen, gezielten Morden und dem Ausbruch neuer Clankämpfe. Die UNO-Soldaten schützen sich selbst. Die Somalis werden von niemandem geschützt – weder vor den eigenen Landsleuten noch vor den ausländischen Soldaten.

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