: Die „Spiegelei-Connection“
Die „Weißen“ des Abendlandes mit den „Gelben“ aus Fernost: Der erste Asem-Gipfel in Bangkok wird als Erfolg gewertet ■ Aus Bangkok Christian Rath
175 weiße Mercedes-Limousinen rasten durch Bangkoks abgesperrte Straßen, meist im Dreierpack zusammen mit einigen rotlichtblinkenden Polizeifahrzeugen. So stellte sich für die Einwohner der Zehnmillionenmetropole das zweitägige Asia-Europa-Meeting (Asem) von zehn asiatischen und fünfzehn europäischen Staats- und Regierungschefs dar, das am Samstag endete.
Nach der Augenweide für die thailändischen Mercedes-Fans wurden die Politiker dann zum obligatorischen Gruppenfoto symbolisch in „bunter Reihe“, jeweils ein Asiat neben einem Europäer, aufgestellt.
Viele Beobachter waren ohnehin der Auffassung, daß der ganze Gipfel höchstens zu werten sei als ein Symbol des Aufbruchs zu neuen, vertieften Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen Asien und Europa, ein Symbol für eine vertiefte Partnerschaft bei der Lösung politischer Probleme. „Symbole sind wichtig in der Informationsgesellschaft“, erklärte hierzu der chinesische Regierungssprecher Chen in unerwartet moderner Diktion. Auch Helmut Kohl stellte bei seiner Abschlußpressekonferenz fest: „Das wichtigste Ergebnis dieses Gipfels ist, daß er stattgefunden hat.“
Die asiatischen und europäischen Regierungschefs wollten sich kennenlernen, jetzt sollen sich die Leistungseliten beider Regionen näherkommen. Singapur kündigte die Gründung einer asiatisch- europäischen Stiftung an. Japan schlug ein „Mini-Davos“ genanntes jährliches Treffen von Nachwuchskräften aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft vor – im Schweizer Nobelkurort Davos finden jährlich hochrangig besuchte Weltwirtschaftsgespräche statt. Malaysias Premier Mahathir und Helmut Kohl betonten, daß europäische StudentInnen mehr Bereitschaft entwickeln sollten, in Asien zu studieren, daß sich aber auch die asiatischen Universitäten entsprechend öffnen müßten.
Wie aber geht es mit Asem selbst weiter? Einerseits betonten viele Beteiligte, daß eine allzu strenge Institutionalisierung der Treffen vermieden werden solle. Gerade der informelle Rahmen biete Gelegenheit für wichtige bilaterale Gespräche, etwa das erste portugiesisch-indonesische Spitzengespräch seit 20 Jahren (die taz berichtete am 1. März). Andererseits ist bereits heftiges Planungsfieber ausgebrochen. Der nächste Asem-Gipfel soll 1998 in London stattfinden, das dritte Meeting im Jahr 2000 in Südkorea. Dazwischen sollen sich 1997 in Japan die Wirtschaftsminister treffen. Und auf der Arbeitsebene hoher Beamter wird bereits im Juli diesen Jahres in Brüssel ein vom thailändischen Premier Barnham eingebrachter „Aktionsplan“ für eine Steigerung gegenseitiger Investitionen beraten.
Noch aber ist unklar, welche Staaten in Zukunft zu Asem-Treffen eingeladen werden. Diesmal waren auf europäischer Seite die fünfzehn Staaten der Europäischen Gemeinschaft zugegen und als Vertreter Asiens die sieben Asean-Staaten (Thailand, Philippinen, Malaysia, Indonesien, Singapur, Brunei und Vietnam), dazu kamen Japan, China und Südkorea.
Indien etwa fehlte, obwohl es anstrebt, in den kommenden Jahren zur viertgrößten Wirtschaftsnation der Welt zu werden, wie es am Samstag per ganzseitiger Anzeige in Bangkoker Tageszeitungen verkünden ließ. Auch Australien würde gern teilnehmen, da es sich selbst inzwischen als Teil Asiens definiert. Dem widersprach jedoch der malaysische Präsident Mahathir, dem Australien bisher noch zu „weiß“ geprägt erscheint. Auf europäischer Seite hat außerdem Rußland seinen Teilnahmewunsch bekundet.
Ein konkretes Ziel hat sich der Asem-Prozeß nicht gesetzt. Darin unterscheidet er sich von der Konkurrenzorganisation Apec, an der neben den asiatischen Staaten maßgeblich die USA beteiligt ist. Apec nämlich strebt bis zum Jahr 2020 die Einrichtung einer Freihandelszone ohne Zölle und Mengenkontinente an, für industrialisierte Staaten soll dieses Ziel bereits im Jahr 2010 erreicht sein. Die EU dagegen hat an einer Freihandelszone mit Asien derzeit „kein Interesse“, wie EU-Handelskommissar Leon Brittan in Bangkok noch einmal ausdrücklich bekräftigte.
Statt den Freihandel „nur“ zwischen Wirtschaftsblöcken zu forcieren, will die EU im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO weltweite Liberalisierungen durchsetzen.
Vor der nächsten WTO-Konferenz im Herbst diesen Jahres in Singapur will man sich auch im Asem-Rahmen absprechen, um mit gemeinsamem Gewicht aufzutreten. Auf der Tagesordnung stehen dort nicht zuletzt die von der Gatt-Uruguay-Runde übriggebliebenen Themen, vor allem die Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte.
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