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Die Schweiz vor dem Auftaktspiel gegen TschechienBlechhütte am Berg

Vor ihrem Auftaktspiel gegen Tschechien plagen die Schweizer jede Menge Sorgen: Dass ihre Landsleute keine Euphoriker sind, ist noch die geringste.

Dass die Schweizer nach einer Enttäuschung im Eröffnungsspiel noch in ein anhaltendes Fußballfieber verfallen, ist kaum vorstellbar. Bild: dpa

FEUSISBERG taz Es ist ein ausgesprochen fragiles Gebilde geworden, das Jakob Kuhn am heutigen Abend präsentieren wird. Nicht, dass der schweizerische Fußballtrainer gepfuscht hätte, ganz im Gegenteil, aber er musste seine Fußballmannschaft eben aus Materialien formen, deren Stabilität noch keiner kennt. Vielleicht stürzt das Werk ein wie eine Blechhütte im Tropensturm, denn mit dem Trainer selbst, Abwehrchef Patrick Müller und Mittelfeldanführer Tranquillo Barnetta sind tragende Säulen des Projektes schwer angeschlagen.

Schweizerisch . . .

Wirklich schlimm ist, dass Kuhns Ehefrau zu Wochenbeginn nach einer Bewusstseinsstörung und einem epileptischen Anfall auf einer Intensivstation liegt. Kuhn sagt zwar, "es ist klar, ich arbeite hier mit Kopf, Bauch und ganzem Herzen mit der Mannschaft", doch der 64-Jährige ist als sensibler Mensch bekannt. Seit 43 Jahren ist er mit Alice verheiratet, der Mann, den die Schweizer 2006 zum Mann des Jahres kürten, pendelt hin und her zwischen Krankenhausbesuchen und Turniervorbereitung.

Und muss dabei viele sportliche Probleme bewältigen. Barnetta konnte während der letzten Vorbereitungsphase kaum trainieren, sein malades Fußgelenk bereitet Probleme, ob er in Form ist, weiß derzeit niemand, immerhin wird er wohl spielen können. Müller ist gerade erst von einem Kreuzbandriss genesen und wirkte in den Tests wenig souverän. "Er ist ein sehr intelligenter Spieler und hat selber Zweifel", sagt Kuhn über den Innenverteidiger, ohne den ein funktionierendes Schweizer EM-Team kaum denkbar ist.

Außerdem fehlen körperlich robuste Typen im Kader, viele der Stammspieler sind sehr jung und unerfahren. Als Trost dient die WM vor zwei Jahren, damals haben sie ihre Vorrundengruppe vor den Franzosen gewonnen, waren die einzige Mannschaft des Turniers, die kein Tor kassierte, und schieden erst im Elfmeterschießen des Achtelfinals gegen die Ukraine aus. Geplagt von der Angst, etwas zu verlieren, wo es nur etwas zu gewinnen gab, diesmal im Heimturnier können sie viel mehr verspielen.

Seit 2006 folgten auf Höhepunkte "immer wieder Abstürze", sagt Kuhn. Wie während der Monate rund um den Jahreswechsel, als vier Spiele in Serie verloren gingen, darunter das desillusionierende 0:4 gegen Deutschland. Es folgten Siege gegen die Slowakei (2:0) und Liechtenstein (3:0), Kuhn sagt aber, "dass in Testspielen das Adrenalin bei den Spielern eben nicht ausgeschüttet wird wie in einem Wettbewerbsspiel". Der historische Moment des Heimturniers soll Kräfte freisetzen.

Noch ist diese Schweizer Mannschaft jedoch ein überdimensioniertes Überraschungsei. Vielleicht wird sie einfach überrollt von den erfahrenen Tschechen, den grimmigen Türken und den flinken Portugiesen. Ebenso denkbar, dass ihnen das Kunststück gelingt, dem Land die herbeigesehnte Euphorie zu injizieren. "Dann ist alles möglich", sagt Kapitän Alexander Frei. Für die Schweiz könnten daher schon im Eröffnungsspiel Winzigkeiten, ein paar Millimeter bei einem Pfostenschuss oder eine Schiedsrichterentscheidung, den emotionalen Verlauf der kommenden drei Wochen vorbestimmen. "Mit den Leuten im Land als zwölftem Mann im Rücken können wir über uns hinauswachsen", meint Frei. Dass die ohnehin zur Skepsis neigenden Schweizer auch nach einer Enttäuschung im Eröffnungsspiel noch in ein anhaltendes Fußballfieber verfallen, ist kaum vorstellbar. Für die anderen Teilnehmer ist die erste Partie wichtig, für den Gastgeber ist sie vorentscheidend.

"Man kann in so einem Moment den Zusammenhalt ansprechen", sagt Kuhn, "ich glaube, dass wir gestärkt aus dieser Situation hervorgehen." Worte, die mehr nach Hoffnung als nach Überzeugung klingen, aber vielleicht beginnt ja der Zauber des Heimvorteils an diesem Samstag doch pünktlich zum Anpfiff zu wirken.

Ohne die Stars Rosicky und Nedved. Hinter Baros ein Fragezeichen. Dazu mit Galasek und Koller zwei Absteiger im Rentenalter. Nur die tschechische Defensive scheint mit Torhüter Cech und einer "italienischen" Viererkette stabil. "Wir wollen ohne Gegentor spielen", meint Verteidiger Ujfalusi. Gastgeber Schweiz stapelt tief, hat viele Probleme und hofft trotzdem auf einen erfolgreichen Start. So wollen sie spielen:

Schweiz: Benaglio - Lichtsteiner, Senderos, Müller, Magnin - Behrami, Inler, Fernandes, Barnetta - Frei, Streller

Tschechien: Cech - Jankuvovski, Ujfalusi, Grygera, Rosehnal - Galasek, Polak, Jarolim, Plasil, Sionko - Koller.

Anstoß: Sa., 18.00 Uhr (ZDF)

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