Die Schönheit der Liga: Lob des Zweiten
Formal gehören 18 Vereine zur Fußballbundesliga. Sechs Vereine machen sie oben spannend. Elf erledigen den Job unten. Das ist eine gute Bilanz.
D er Fußball ist bekloppt. Gemeint ist natürlich nicht der Sport selbst, das Laufen, Schießen und Kombinieren. Der ist weiterhin sinnvoll und sinnstiftend. Gemeint ist das Reden und Schreiben über Fußball. Die Art, wie wir über diesen Sport sprechen, kommt nämlich immer ohne etwas sehr Wichtiges aus.
Ein Finale, so heißt es, ist der Kampf um Platz eins. Das Halbfinale hingegen ist der Kampf der besten vier. Und wer das Halbfinale verliert, kämpft um Platz drei.
Platz zwei fehlt.
Dabei geht es hier um die nicht zu verachtende Ehre, sich Vizemeister nennen zu dürfen. Das ist ein Titel, der bis 2024 für eine niederrheinische Industriestadt identitätsstiftend war: Vizekusen. Das ist zudem das, was 2001 von Schalke blieb: vier Minuten Meister, aber ein Jahr lang Vizemeister.
Und auch in dieser Spielzeit ist es der Platz zwei, der von sehr vielen Teams angestrebt wird. Viel zu lange haben sich die meisten Bundesligisten ihre Identität nur an dem in seiner Machtfülle erstarrten und ergrauten Quasimonopolisten aus München geholt: „Wer ist heuer der Bayern-Jäger?“ war eine gern gestellte und ungern beantwortete Frage, und fast jeder durfte mal ran. In ganz wenigen Fällen gab es Ausnahmemeister, die mal aus Wolfsburg, mal aus Dortmund oder mal aus Leverkusen kamen.
Welchen schönen Wert der Platz zwei entfalten kann, scheint sich erst in der aktuellen Bundesligasituation voll zu entfalten. RB Leipzig will gerne Vizemeister werden und hat bemerkt, dass es dieses Ziel auch dann weiterhin verfolgen kann, wenn es mal gegen Union Berlin strauchelt. Bei Bayer Leverkusen setzt sich die Erkenntnis durch, dass dieser Klub eher Sympathie und Liebe einheimsen kann, wenn er sich im Derby gegen den 1. FC Köln wirklich wie ein Rivale aus der Nachbarstadt präsentiert.
Eintracht Frankfurt kann die ganze doofe Prosa von der „launische Diva“ hinter sich lassen, und sich als Spitzenklub präsentieren, der auch mal eine kleine Negativserie hat und sich sogar gegen den FC Augsburg schwer tun darf. Der VfB Stuttgart nutzt die Nichtfixierung auf Platz eins, um langfristig eine stabile Mannschaft mit einem fähigen Trainer zu entwickeln. Und die TSG Hoffenheim schafft es sogar, sich als nicht ganz unsympathischer Fußballverein darzustellen, der mal gewinnt und mal verliert und immer auf Augenhöhe mittut.
Kampf um Platz zwei? Wir sind dabei! So etwa lautet die Botschaft eines gleichermaßen entspannten wie spannend werdenden Ligaalltags. Und wie das alles gelingen kann? Man lasse die Bayern einfach ziehen. Martin Krauss
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