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Die Russen sterben aus

Moskau (epd) — Die Russen werden immer weniger. Im Jahre 2200 sollen es nur noch 25 Millionen sein. Amerikaner hätten das errechnet und zwar „ausreichend argumentativ“, berichtete vor kurzem die Moskauer 'Prawda‘, die mit der atemberaubenden Theorie voll im Trend liegt. Seit die jüngsten Erhebungen eine höhere Sterbe- als Geburtenrate in Rußland ergaben, findet täglich in vielen russischen Medien die Apokalypse statt— aus Sensationslust und als Versuch, aus der Untergangsstimmung politisches Kapital zu schlagen.

In den Städten Pskow und Kursk erreichten die Männer nur das 41. und die Frauen nur das 43. Lebensjahr, verkündete zum Beispiel die 'Rossijskaja Gaseta‘. Nach Angaben der staatlichen Statistiker sind diese Zahlen falsch. Männer erreichten statt dessen in diesem Gebiet ein Alter zwischen 62 und 64 und Frauen zwischen 73 und 74 Jahren. Das „Privileg der Moskauer“ sei es, früh das Zeitliche zu segnen, steuerte die 'Nesawissimaja Gaseta‘ bei. Die Konkurrenz konterte am folgenden Tag: In Moskau lebe man länger als anderswo in Rußland. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Russen liegt — so die um Nüchternheit bemühte Wochenzeitung 'Moskowskije Nowosti‘ in ihrer jüngsten Ausgabe — bei 63,8 Jahren der Männer und 74,3 Jahren der Frauen. Im Westen lebten die Menschen durchschnittlich sieben Jahre länger. Diese Differenz sei nicht neu. Hauptgründe für die geringere Lebenserwartung der Russen seien die Häufung von Herz- und Kreislauferkrankungen unter jüngeren Menschen sowie Atemwegserkrankungen und Unfälle.

Für die nächsten drei bis sechs Jahre kommt allerdings auch die 'Moskowskije Nowosti‘ zu einer eher düsteren Prognose: Die Lebenszeit werde sich verkürzen wie am Ende der 70er Jahre, wenn nicht vor allem am Arbeitsplatz weniger getrunken und die medizinische Versorgung verbessert werde. Auch die Geburtenrate gäbe keinen Anlaß zu Optimismus: Die Zahl der Geburten sank zwischen 1987 und 1991 von 2,5 Millionen auf 1,8 Millionen im Jahr. Seit Kriegsende sei dies die niedrigste Quote.

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