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Die Rückkehr des Verstoßenen

Spaniens Fußball: Diego Maradona kehrt an seine alte Wirkungsstätte, das Nou Camp-Stadion von Barcelona, zurück/ Bebeto unwiderstehlich  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Mit Schimpf und Schande wurde Diego Armando Maradona 1984 aus Katalonien davongejagt. Durch ausschweifendes Leben hatte er den sittenstrengen Vereinspräsidenten des FC Barcelona, Josep Lluis Nunez, gegen sich aufgebracht und auch sportlich die hohen Erwartungen beileibe nicht erfüllt. Das nominell beste Mittelfeld-Duo der Welt Schuster/Maradona gelangte nie zur ersehnten Harmonie, eine Hepatitis und ein vom groben Basken Goikoetxea zertrümmerter Knöchel taten ein übriges, um den Stern des Argentiniers in Barcelona am Aufgehen zu hindern. Eine Schlägerei mit Goikoetxea im Pokalfinale gegen Bilbao vor den Augen des Königs brachte das Faß zum Überlaufen, Nunez bezichtigte seinen Star, mit den Handgreiflichkeiten nach Spielende begonnen zu haben, was Maradona durchaus glaubhaft dementierte: „Haltet Ihr mich für wahnsinnig. Der Kerl ist doppelt so groß wie ich.“

Maradona ging nach Italien und schickte sich an, die Fußballwelt zu erobern. Dann kamen zwei Jahre, in denen es nicht ganz so gut lief, und am Sonntag schließt sich nun der Kreis: Maradona kehrt ins Nou Camp-Stadion von Barcelona zurück – im Trikot des FC Sevilla beim Ligaspiel gegen den Tabellenzweiten Barça. Fast wäre die Rückkehr des inzwischen mächtig abgespeckten Ballkünstlers an seine alte Wirkungsstätte allerdings ins Wasser gefallen. Beim 0:3 in Teneriffa hatte Maradona am Sonntag in der 59. Minute die gelb- rote Karte gesehen. Da der Argentinier jedoch alle fünf Verwarnungen, die er seit seinem Comeback bekommen hat, wegen Meckerns und Protestierens kassierte, bekommt er für seinen Feldverweis nicht die obligatorische Spielsperre.

Dennoch war der FC Sevilla, dem kurz vor Weihnachten noch ein triumphaler 2:0-Sieg gegen Real Madrid gelungen war, stocksauer. Die Niederlage in Teneriffa warf den Klub nicht nur auf den achten Platz zurück, sondern war wegen ihrer innerargentinischen Brisanz besonders bitter. Das Team von den Kanarischen Inseln wird nämlich vom argentinischen Weltmeister Jorge Valdano betreut, der konsequent die offensive Ideologie seines großen Lehrmeisters Cesar Luis Menotti umsetzt. Trainer in Sevilla ist Menottis Erzrivale Carlos Bilardo, der den Andalusiern sein destruktives Defensivkonzept, garniert durch Maradonas Geistesblitze, verordnet hat.

Zu allem Überfluß war der überragende Spieler bei Teneriffas Erfolg der Argentinier Redondo, der Bilardo für die WM 1990 eine Absage erteilt hatte, weil er sich lieber um sein Studium kümmern wollte, was ihm Maradona und Bilardo bis heute nicht verziehen haben. Der Platzverweis seines Stars brachte Sevillas Coach derart in Harnisch, daß er kaum zu bändigen war und sich am Spielfeldrand eine Schlägerei mit Polizisten lieferte. „Diebe mit weißen Handschuhen“, titulierte er die handgreiflichen Ordnungshüter, während Maradona den Schiedsrichter bezichtigte, er sei von Anfang an gegen ihn voreingenommen gewesen.

Wieder dabei am Sonntag im Nou Camp ist der Bulgare Hristo Stoitschkow, fragt sich nur, wie lange. Vor zwei Wochen gelang ihm das Kunststück, schon nach sechs Minuten vom Platz zu fliegen. Wohl wissend, wie leicht der Torjäger des FC Barcelona zu provozieren ist, riefen ihn die Spieler von Rayo Vallecano ständig „van Basten“. Das reichte, ihn im Handumdrehen in Weißglut zu versetzen. Schließlich hatte ihm der Holländer Marco van Basten gerade den begehrten Titel „Europas Fußballer des Jahres“ weggeschnappt. Beim Verlassen des Spielfeldes hätte sich der Bulgare fast noch eine vierwöchige Sperre eingehandelt, als er den Linienrichter sprachgewandt als „gilipollas“ titulierte. Selbst die Disziplinarkommission des Spanischen Fußballverbandes konnte damit nichts Rechtes anfangen, mußte ein einschlägiges Wörterbuch zu Rate ziehen und stellte fest, daß der Ausdruck soviel wie „Dummerchen“ bedeutet. „Keine Beleidigung“, entschieden die Richter, nur eine Abwertung – lediglich ein Spiel Sperre.

Der aktuelle Superstar des spanischen Fußballs ist jedoch weder Stoitschkow noch Maradona, sondern der Brasilianer Bebeto vom Sensationstabellenführer Deportivo La Coruna. Im letzten Jahr schrammte der Klub um ein einziges Tor am Abstieg vorbei, dann gelang Präsident Lendoiro, gescheiterter Bürgermeisterkandidat der rechten Partei PP, der Coup des Jahres. Er holte aus Portugal den 24jährigen Brasilianer Mauro Silva und schnappte Bebeto mit zwei Millionen Dollar den Dortmunder Borussen vor der Nase weg. 20.000 Saisonkarten wurden daraufhin verkauft, zwei Drittel der Stadionkapazität. Das 28jährige Federgewicht mit der sensiblen Seele und der Vorliebe für ausgefallene Haustiere begann sofort damit, wahre Feuerwerke in Richtung gegnerisches Tor abzubrennen. In sechzehn Spielen hat er bislang 15 Treffer erzielt, ebensoviele wie Barcelonas Stoitschkow. Am Sonntag gelangen Bebeto alle drei Treffer zum 3:0 gegen Espanol Barcelona, und das Riazor-Stadion von La Coruna stand Kopf, als er in der 81. Minute seinen bedauernswerten Gegenspieler Mino gleich viermal im Strafraum ausspielte, sich den Ball mit dem Hacken vorlegte und dann zum 3:0 ins Netz hämmerte.

„Mein größtes Problem ist es im Moment, die Spieler von der Euphorie in der Stadt fernzuhalten“, sagt Trainer Arsenio Iglesias. „Wir müssen uns erinnern, daß wir dort, wo wir sind, wegen unserer Bescheidenheit, Demut und einer Menge harter Arbeit sind.“ Und, nicht zu vergessen, wegen Bebeto.

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